Hill, Susan
ich habe gerade jemanden befragt. Aber wir dürfen zwischendurch essen. Und Sie?«
»Halber freier Tag. Und die Kinder sehen in ihren Sachen schon verwahrlost aus, weil sie wieder aus allem rausgewachsen sind. Dagegen musste ich was unternehmen.«
Freya betrachtete sie genauer. Wenn man wusste, dass Simon und sie Geschwister waren, konnte man die Ähnlichkeit erkennen, um die Augen, den Mund, aber ihre Gesichtsfarbe war anders. Simon wirkte älter, und man wäre nicht auf den Gedanken gekommen, dass die beiden zu Drillingen gehörten.
Cat biss in ihren Teekuchen, wobei ihr warme Butter über das Kinn lief. Sie kicherten beide.
Das ist Simons Schwester, sein eigen Fleisch und Blut. Das ist nicht nur eine Frau, die ich mag und die vielleicht zu einer Freundin wird, das ist jemand, der ihn besser als sonst jemand kennt. Ich möchte sie über ihn ausfragen, ich möchte alles von ihm erfahren, seinen Geschmack, wie er sich als Kind benommen hat, seine Beziehung zu seinem Vater, wo er Urlaub macht, wer seine Freunde sind … die Frauen, die laut Sharon in ihn verliebt waren, die Herzen, die er gebrochen hat.
Es schien unmöglich, einen Anfang zu finden. Cat brachte das Gespräch auf Starly. »Wissen Sie, die Menschen haben alle möglichen Gründe, Arzt werden zu wollen … nicht immer gute Gründe, aber ich schätze, die meisten sind ehrbar. Ich kann nur nicht begreifen, was hinter jemandem liegt, der sich zu solchen extremen Alternativen versteigt. Was ist dieser Kerl, dieser so genannte Psychochirurg? Ist er verrückt oder böse?«
»Dieselbe Frage stellen wir uns über Menschen, die bestimmte Verbrechen begehen. Pädophile, gewisse Mörder. Verrückt? Was ist verrückt? Das können Sie besser beantworten als ich.«
Cat schüttelte den Kopf. »Nur in den offensichtlichsten und eindeutigsten Fällen, und davon gibt es äußerst wenige, wissen Sie. Echt, nachweisbar, auf Dauer ›verrückt‹ – geistesgestört, ohne jeden Bezug zur normalen menschlichen Realität. Das ist selten.«
»Dann also böse. Ich weiß nicht, ob irgendjemand von denen wirklich böse ist. Fehlgeleitet.«
»Vielleicht hatten sie den Wunsch, Gutes zu tun, zu heilen … und der wurde durchkreuzt, in die falsche Richtung gelenkt oder auf irgendeine Weise verbogen.«
»Es muss auch etwas mit Machtgefühl zu tun haben. Vor allem, wenn Menschen so dankbar sind, dass sie einen als Wunderheiler bezeichnen.«
»Manchmal glaube ich, dass alle Medizin mit Machtgefühlen zu tun hat. Ich denke da an einige Ärzte, die sich in ihrem Machtgefühl sonnen.«
»Wissen Sie, ich finde es verwirrend, dass dieser Kerl – und nicht nur er – tatsächlich etwas zu bewirken scheint. Die Leute behaupten, geheilt worden zu sein.«
»Die meisten Beschwerden, die nicht lebensbedrohlich sind, kurieren sich sowieso von allein aus, und die Wirkung von Placebos sollte niemals unterschätzt werden. Ich würde gerne mal mit jemandem sprechen, der behauptet, von Krebs oder multipler Sklerose oder Neuromyotonie durch einen Psychochirurgen oder einen Kristallkundler geheilt worden zu sein. Ich möchte während der nächsten zehn Jahre alle sechs Monate mit ihm sprechen und sehen, ob er die Behauptung immer noch aufrechterhält. Was er natürlich nicht tun wird.«
»Niemandem Schaden zufügen … Ist das nicht Ihre Maxime?«
»Ja. Aber ich bin ausgebildete Ärztin.«
Die Kellnerin kam, um ihren Tisch abzuräumen.
»Noch einen Kaffee?«
»Ich müsste eigentlich los.«
»Ich auch.«
»Dann trinken wir noch einen Kaffee. Und ich möchte noch eines klären … War mein Vater neulich Abend sehr grob zu Ihnen?«
Freya verzog das Gesicht. »Ziemlich.«
Cat wurde rot. »Gott, er macht mich so wütend. Er tut das, um alles, was Mutter macht, zu zerstören, um alle anderen daran zu hindern, sich zu amüsieren, um den Spaß zu verderben.«
»Er kommt mir recht verbittert vor.«
»Ist er auch.«
»Ist er sehr enttäuscht worden?«
»Nein. Na ja – dass Si nicht Medizin studiert hat, war ein Schlag. Als gäbe es nicht genug Serrailler-Ärzte, um ihn glücklich zu machen. Er konnte es nicht verkraften, in Pension zu gehen. Er war aufgebracht, deprimiert, wütend …, wohingegen meine Mutter das Unvermeidliche einfach hinnahm und sich auf die anderen Dinge in ihrem Leben konzentrierte.«
»Und wie.«
»Absolut. Dad suhlte sich ein paar Jahre lang in Selbstmitleid und gewöhnte sich dann seine Grobheiten an. Es tut mir Leid, dass es Sie erwischt hat, und ich
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