Hill, Susan
die Psychologen und Profiler von Menschen wie ihm sagten. »Auf die eine oder andere Weise kehren sie immer zum Tatort zurück. Sie können sich nicht fern halten. Wenn eine Suche veranstaltet wird, bieten sie vielleicht ihre Hilfe an, wenn es einen Aufruf um Mithilfe aus der Bevölkerung gibt, melden sie sich vielleicht mit falschen Informationen, wenn eine Rekonstruktion gemacht wird, kommen sie zum Zuschauen.«
Er brauchte das nicht. Das Geschehen auf dem Hügel war unwichtig, nur ein notwendiges Vorspiel. Worauf es ankam, geschah in dem Gebäude im Gewerbegebiet. Die Jagd, das Überwältigen, das Töten interessierten ihn nicht. Ihm war völlig verständlich, warum vor Jahrhunderten in den dunklen Straßen Edinburghs Leichenräuber eingesetzt wurden. Wenn er Leute hätte anstellen können, die ihm die nötigen Leichen brachten, hätte er das getan.
Was ihn an diesem Morgen zum Hügel trieb, war der Wunsch zu sehen, wie die Polizei die Sache durchführte, welche Fehler sie machte, wie weit sie danebenlag. Ein Ergebnis war sowieso ausgeschlossen. Wie viele Menschen auch zum Zuschauen kamen, wie viele sich meldeten, keiner konnte der Polizei in irgendeiner Weise nützlich sein, weil keiner hier gewesen war. Niemand war hier gewesen. Er war der Einzige, der wusste, was passiert war.
Er zögerte. Bei der Gruppe der Uniformierten um einen der Mannschaftswagen sah er die junge Frau, die er auf der Dinnerparty kennen gelernt hatte, Freya Graffham. Wenn sie ihn entdeckte, würde er mit ihr sprechen, würde einen Grund für seine Anwesenheit nennen müssen. Er bewegte sich etwas außer Sichtweite und überlegte. Es fiel ihm rasch und ohne großes Kopfzerbrechen ein, wie alles. Er wusste, was er sagen würde, und freute sich sogar darauf. Doch das Bühnenbild war aufgebaut, die Schauspieler warteten, der Vorhang würde sich gleich heben. Er ging ein wenig nach links, um besser sehen zu können.
Sofort erkannte er, dass vieles falsch war. Das Mädchen war nicht dick genug und ihr Haar etwas zu hell. Aber die Fleecejacke stimmte und die furchtbare Akne. Eine andere junge Frau sprach mit ihr, den Kopf nahe bei ihr, redete und redete, gestikulierte mit den Händen. Die Mitbewohnerin.
Jemand bat um Ruhe. Einen Augenblick lang herrschte äußerste Stille. Dann ging das Mädchen los, die Kameras begannen zu laufen, die Fernsehcrew ging rückwärts vor ihr her, die Männer mit den flauschigen Mikrofonen daneben.
Die Kleidung war identisch, und sie ging fast genau wie Debbie. Fast. Er beobachtete sie. Jetzt überquerte sie die Straße, steuerte auf den Eingang zu, der zum Hügel selbst führte. Er wollte ihr Anweisungen zurufen, ihr sagen, sie solle schneller gehen, ihren Gesichtsausdruck ändern, zum Hügel hinaufschauen, nicht geradeaus. Wer immer das Mädchen war, sie war sich der Kamera vor ihr zu bewusst, ihr Gang war zu zögerlich.
Alle anderen sahen aufmerksam zu, einige von ihnen, einschließlich Freya Graffham, folgten als Gruppe ein paar Meter hinter dem Mädchen. Freya hatte ihn nicht gesehen, dessen war er sich ziemlich sicher. So war es auch besser. Seine Geschichte würde später nützlicher sein.
Das Mädchen war jetzt auf dem Hügel, und die anderen blieben zurück. Das Wetter stimmte nicht, aber als er sie betrachtete, scheinbar allein, während sie auf die Stelle zuging, wo sie sich getroffen hatten, merkte er, dass Erregung in ihm aufstieg. Er wusste, was passieren würde, es lief in seinem Kopf ab wie ein Film, den er bereits gesehen hatte und dessen Ende vollkommen stimmig war. Ein paar Sekunden lang ging sie in die falsche Richtung, und er wollte ihr etwas zurufen, aber dann drehte sie wieder um, und alles war richtig, es war, als wisse sie Bescheid, als sei sie Debbie, kein Ersatz, und ein Machtgefühl überkam ihn. Es war außergewöhnlich. Sie tat genau das, was er wollte. Sie gehorchte seinen stummen Befehlen, als sei sie eines der ferngesteuerten Flugzeuge, die die Jungen am Sonntagmorgen auf dem Hügel fliegen ließen. Jeder Schritt war wie von ihm vorgegeben. Er musste sich zurückhalten, um nicht zu ihr zu laufen. Sie war fast da, das arme, fette, schlecht gekleidete, pickelige Mädchen. Wie konnte es zwei von ihnen auf der Welt geben? Er brauchte keine zwei, aber wenn er allein gewesen wäre, hätte er sie trotzdem genommen.
Sie war nur ein paar Meter entfernt. Er hielt den Atem an, bis ihm der Brustkorb wehtat. Jemand rief. Die Frau. Freya Graffham.
»Okay, Caroline, okay, Sie können jetzt
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