Hill, Susan
genauso wie Eltern. Damit konnte man kaum etwas falsch machen. Aber Nita Ramsden, Nita und Donald, die Kekse, die Tatsache, dass sie auf dem Weg zur Arbeit so lange an der Ecke auf sie gewartet hatte, und Nita war nicht gekommen. Der Fahrradunfall … Das konnte man auch nicht auf Gedankenlesen schieben, denn Nita war seit einem halben Jahrhundert in Iris’ Gedanken nicht vorgekommen, und wie hätte das Medium etwas aus ihrer Mädchenzeit wissen können?
Aber sie hatte nicht das bekommen, weswegen sie dort gewesen war, nämlich ein Gespräch mit Harry. Kommen Sie wieder, hatte Sheila Innis gesagt, lassen Sie noch etwas Zeit vergehen und vereinbaren Sie dann einen neuen Termin. Iris wusste, dass sie es tun musste, dass sie nie zur Ruhe kommen würde, bis sie Kontakt zu Harry aufgenommen hatte, aber was diese Abendtreffen anging, in einer Gruppe, das war etwas anderes, und sie hatte dabei ein sehr ungutes Gefühl. Wer würden die anderen sein, und warum hatte das Medium gesagt, dort lägen die Dinge anders und sie hätten oft bessere Erfolge? Was passierte dort, was nicht heute Nachmittag geschehen war?
In der Küche wurde es allmählich dunkler, und der Himmel vor dem Fenster zeigte ein tiefes, leuchtend violettes Blau. Es würde Frost geben, Frost und Vollmond.
Nach einer Weile hörte sie durch die Wand die Erkennungsmelodie der Sechs-Uhr-Nachrichten aus Pauline Moss’ Fernseher. Sie verspürte Gewissensbisse. Sie sollte zu Pauline hinübergehen, würde sie niemals verletzen wollen. Nur konnte sie heute Abend keine Fragen ertragen, eifrige, bohrende, kleine Fragen, die sie beantworten müsste. Harry war nicht erschienen, um mit ihr zu sprechen. Das machte sie trauriger, als sie es je einer Nachbarin gestehen wollte, wie wohlwollend die auch sein mochte.
19
A lso gut, Nathan, sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
DC Nathan Coates hatte einen Notizblock vor sich liegen. Freya und er saßen im Lichtkreis ihrer Schreibtischlampe und befanden sich als Einzige noch im Büro. Es war schon nach acht. Sie hatte ihn über Angela Randall ins Bild gesetzt und ihm gesagt, dass der DI keine offizielle Arbeitszeit mehr für etwas genehmigen würde, das er nur als einen weiteren Vermisstenfall betrachtete.
»Ich kann keine Überstunden für Sie beantragen, Nathan, und ich kann es nicht mal rechtfertigen, dass Sie Ihre normale Arbeitszeit darauf verwenden.«
»Das ist in Ordnung, Sarge. Wenn Sie meinen, da ist was dran, dann mach ich mit.«
»Danke, aber behalten Sie es für sich, ja?«
In der letzten Stunde, seit sie das Büro für sich hatten, waren sie eine Liste durchgegangen. Abgesehen von Angela Randall und dem vermissten Mountainbiker, einem Neunzehnjährigen namens Tim Galloway, hatte Nathan drei weitere Namen herausgesucht, die eventuell eine Verbindung mit den anderen haben könnten, wie dürftig auch immer.
James Bond (»Gott, der arme Kerl, stellen Sie sich den mal in der Schule vor!«, hatte Nathan gesagt). Achtundvierzig Jahre alt. Büroangestellter. Junggeselle, lebte allein. War eines Morgens in der Nähe des Flusses verschwunden. Keine Spuren, keine Leiche gefunden. Vorgeschichte geistige Verwirrtheit, hatte sich schon vorher aus einer psychiatrischen Anstalt abgesetzt und war nach drei Tagen im Eylam Moor gefunden worden. Wurde zwei Wochen später wieder vermisst.
Carrie del Santo. Neunzehn Jahre alt. Als Prostituierte bekannt. Zuletzt gesehen im Kathedralenhof in den frühen Morgenstunden am Karfreitag 1997. Wegen öffentlichen Sichanbietens und zwei Fällen von Handtaschenraub gegen Kaution auf freiem Fuß. Wurde erst nach mehreren Wochen als vermisst gemeldet.
Phyllis Spink, achtundsiebzig Jahre alt, vermisst seit 1999. Lebte allein in den Armenhäusern von St. Michael. Vorgeschichte geistige Verwirrung/Demenz.
»Na gut, schauen wir sie uns einen nach dem anderen an. Was ist Ihnen in Bezug auf Angela Randall daran aufgefallen?«
»Also, Mr 007 … Wurde zuletzt am frühen Morgen gesehen, und der Treidelpfad am Fluss liegt in der Nähe des Hügels.«
»Bisschen dünn.«
»Ja, ich weiß. Und die Depressionsvorgeschichte und sein vorheriges Verschwinden bedeuten wahrscheinlich, dass er sich irgendwo meilenweit entfernt das Leben genommen hat und nie gefunden wurde. Nicht alle Leichen werden gefunden.«
»Nicht alle, aber die meisten, und wenn man Selbstmord begeht, hat man keine Kontrolle mehr darüber, was hinterher mit einem passiert.«
»Wohingegen bei Mord jemand anders die Kontrolle
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