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Hill, Susan

Hill, Susan

Titel: Hill, Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Menschen dunkles Sehnen: Kriminalroman (German Edition)
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mit den Händen, fuhr von oben bis unten an ihrem Körper entlang, als wolle sie etwas abstreifen.
    Sie lächelte Iris an. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Sonst ist heute Nachmittag niemand da. Ich spüre, dass ich Sie enttäuscht habe. Sie wollten, dass jemand erscheint, und er hat es nicht getan. Ihr Mann? Ist er erst vor kurzem gestorben?«
    »Harry. Mein Harry ist ein paar Tage vor Weihnachten gestorben.«
    »Das ist eine sehr kurze Zeit, Mrs Chater. Vielleicht zu kurz. Manchmal dauert es ein bisschen länger … aber nicht immer. Nein, nicht immer. Ich kann sie nicht erscheinen lassen, verstehen Sie, und werde Ihnen nichts vormachen. Ich könnte mir alles Mögliche ausdenken, um Trost zu spenden, aber das wäre Betrug, und ich betrüge niemanden.«
    »Verstehe.«
    »Würden Sie wiederkommen wollen? Ich versuche es gerne noch einmal. Ich gebe nicht so leicht auf, aber ich kann niemandem befehlen zu erscheinen, wenn er nicht will oder es zu schwierig findet. Das trifft oft zu, wenn Menschen gerade erst gestorben sind … sie finden es schwierig. Sie müssen Hilfe suchen. Ich bin sicher, dass Harry genau das tut. Vielleicht in einem Monat? Das bleibt Ihnen überlassen.« Sie stand auf. »Bitte fühlen Sie sich nicht zu entmutigt. Ich spüre, dass Harry Ihnen sehr nahe ist und auf Sie aufpasst und dass er glücklich ist.«
    Zum ersten Mal wurde Iris Chater misstrauisch. Billige Worte, dachte sie.
    An der Tür legte ihr Sheila Innis die Hand auf den Arm. »Ich frage mich … ich glaube, Sie könnten jemand sein, der von meinen Abendgruppen profitiert … Manchmal entsteht dort eine Atmosphäre, die jene in der Geisterwelt ermutigt, die noch nicht gesprochen haben … nicht in der Lage waren zu erscheinen. Wir bekommen oft bemerkenswerte Ergebnisse. Es sind nur ein halbes Dutzend Teilnehmer. Dort finden Sie vielleicht, was Sie suchen.«
    Sie wollte fliehen. In Sheila Innis’ Blick, in ihren Augen lag etwas zu Eindringliches.
    »Ich … ich muss darüber nachdenken. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Selbstverständlich. Rufen Sie mich einfach an. Aber das werden Sie. Ich habe ein sicheres Gefühl. Sie würden finden, wonach Sie suchen.«
    »Vielen Dank. Ja.« Als sie am Ende des Gartenwegs war, schaute Iris zurück und sah, dass das Medium sie immer noch eindringlich anblickte, ihr nachblickte.
    Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, nach Hause zu gehen und allein zu sein. An der Hauptstraße war eine Bushaltestelle, und sie musste nur ein paar Minuten warten, bis der Bus in die Innenstadt kam. Sie brauchte die Stadt, Menschen und Autos und Läden und Geschäftigkeit, sie musste unter Dingen sein, die alltäglich und fröhlich und wirklich waren. Sie kaufte Brot und einen Strauß Osterglocken, den sie am nächsten Morgen zum Friedhof bringen würde. Danach ging sie zu Tilly’s, bestellte sich eine Kanne Tee und einen getoasteten Teekuchen und ließ die Zeit verstreichen, beobachtete die anderen Gäste und hörte ihren Unterhaltungen zu, bis sie sich wieder normal fühlte, normal und sicher.

    Pauline stand am Fenster und winkte mit der Teetasse, aber Iris war noch nicht bereit, mit Pauline zu reden, die sofort merken würde, dass etwas passiert war. Sie war nicht nur eine neugierige Nachbarin, sondern auch besorgt, doch Iris war noch nicht so weit, über ihren Besuch bei Sheila Innis zu sprechen, und sie mochte nicht lügen, also eilte sie rasch ins Haus und tat so, als würde sie nach etwas tief in ihrer Handtasche suchen. Im Haus war es sehr still. Es war angenehm, dass die Tage jetzt allmählich länger wurden und sie erst nach fünf das Licht anschalten musste. Sie zog sich um und ging wieder hinunter in die Küche. Die Töpfe mit den rosa Alpenveilchen schimmerten sanft im Abendlicht. Es war eine ihrer wenigen Freuden während Harrys schwerer Krankheit gewesen, die Topfblumen zu betrachten, die sie immer sorgsam pflegte. Jetzt betrachtete sie sie und sagte seinen Namen. Aber da war nur Schweigen und Leere. Er war nicht hier, genauso wenig, wie er in dem Haus in Priam Crescent gewesen war.
    »Wo bist du, Harry? Warum bist du nicht gekommen und hast mit mir geredet? Wenn ich mit Nita Ramsden sprechen konnte …«
    Sie hätte es als Geschwafel abtun können, nachdem Harry nicht mit ihr gesprochen hatte, wenn es nicht um Nita Ramsden gegangen wäre. Die Sache mit ihrer Großmutter, selbst die Schiffsbrosche, hätte ein Glückstreffer sein können; jeder in ihrem Alter hatte Großeltern, die tot waren –

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