Hill, Susan
eine Investition für zukünftige Gesundheit und Glück.
Sie entspannte sich, spürte, wie ihr Atem langsamer und tiefer wurde, und konzentrierte sich dann auf den strahlend blauen Kreis, den sie sich vor Augen rief, mit dem schimmernden goldenen Rand und dem tiefvioletten Zentrum.
Die heilende Kraft floss in ihren Geist und ihre Adern.
Sie schlief ein.
Früher am Abend hatte Sandy versehentlich Debbies Handtasche vom Küchentisch gestoßen und in ihrer Eile, sich zu entschuldigen und den verstreuten Inhalt aufzuheben, die Karte von Debbies zweitem Termin bei Dava gefunden.
»Oh, Debs.«
»Danke, ich mach das schon«, hatte Debbie steif erwidert, ihre Mitbewohnerin fast aus dem Weg geschubst vor Angst, sie könnte auch noch die anderen Karten finden und sich darüber lustig machen.
»Hör zu, es geht mich nichts an …«
»Genau.«
»Okay, aber … und es gibt ein Aber, das weißt du.«
»Ich habe nichts eingenommen, ich habe keine weiteren Salben bekommen, falls du dir deswegen Sorgen machst.«
»Aber du musst eine weitere Rechnung bezahlen, oder?«
Debbie schob die letzten Sachen zurück in die Handtasche und schloss den Reißverschluss mit einem scharfen Schnarren. Ihr trotziger Ausdruck sagte mehr als Worte. Sandy setzte sich an den Tisch und sah sie an.
»Ich mache mir Gedanken um dich, ich mache mir Sorgen um dich, mir liegt was an dir, Himmel noch mal.«
»Kein Grund, sich Gedanken zu machen. Mir geht’s gut, danke.«
»Aber es ist dir nicht gut gegangen.«
Debbie zögerte. In Sandys Stimme lag echte Besorgnis. Es war ihr wichtig, und sie war eine Freundin. Debbie setzte sich ihr gegenüber.
»Siehst du denn nicht, wie viel besser es mir geht?«
»Das liegt an Dr. Deerborns Tabletten, stimmt’s? Also wirklich.«
»Ich meine nicht meine Haut. Damit hast du wahrscheinlich Recht, aber ich meine mich. Ich bin erst zweimal bei ihm gewesen, und er hat alles verändert, Sandy, die Art, wie ich denke und fühle und wie ich mit mir selbst umgehe. Ich bin nicht mehr unglücklich, ich stehe morgens gerne auf und werde mir bald einen Teilzeitjob suchen. Ich lerne einfach so viel. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.«
Sandy seufzte. Ihre Stirn war immer noch gerunzelt. »Aber es ist so teuer. Ich frag mich nur, ob du nicht Beratung vom Gesundheitsdienst bekommen könntest.«
»Das ist keine Beratung.«
»Und was ist es dann?«
Worte wirbelten Debbie durch den Kopf, Davas Worte, die Worte auf den Karten, Wörter, die ihr neu waren und etwas bedeuteten, das der freimütigen, in einfachen Begriffen denkenden, bodenständigen Sandy unmöglich zu vermitteln war. Harmonie … Aura … Schwingungen … Energie … Frieden … Schutz … Engel …
Nichts davon konnte sie laut aussprechen, aus Furcht, albern zu klingen und verspottet oder missverstanden zu werden. Die Worte waren heilig geworden, wie Worte aus der Bibel oder Gebete, es waren keine Worte, die man locker an einem verkratzten Resopaltisch aussprach.
»Ich versichere dir, dass es mir gut geht. Ich weiß, was ich tue. Wenn mir dabei mulmig gewesen wäre und es mir nicht so gut getan hätte, wäre ich nicht wieder hingegangen. Aber ich danke dir trotzdem. Ganz ehrlich. Danke.«
Sie war um den Tisch herumgegangen und hatte Sandy umarmt, hoffte, dass jetzt alles zwischen ihnen wieder in Ordnung war und Sandy ihre Wandlung nicht noch einmal in Frage stellen würde. Denn dafür bestand wirklich kein Grund. Sie wusste, was sie tat. Alles war bestens. Wirklich bestens.
Am nächsten Morgen klingelte ihr Wecker um sechs. Sie hatte ihn leise gestellt, um Sandy nicht zu wecken. Durch das Küchenfenster war nur Dunkelheit zu sehen, aber es regnete wenigstens nicht, und als Debbie die Hintertür öffnete, wehte milde Luft herein. Sie trank ein Glas Orangensaft, um nicht den Kessel anschalten zu müssen, der so schrill pfiff, wenn das Wasser kochte, aß einen Sojajoghurt und steckte sich zwei Kekse in die Tasche ihrer Fleecejacke. Leise knipste sie das Licht aus und schloss noch leiser die Hintertür. Draußen auf der Straße blieb sie stehen und sah zurück. Die Wohnung lag nach wie vor in Dunkelheit.
Einen Augenblick lang dachte sie voller Zuneigung an Sandy in ihrem gelb-weißen Schlafzimmer mit dem flauschigen Bettvorleger und den beiden Gliederpuppen in gelb-weißen Ginganhäubchen und Schürzen, die mit baumelnden Holzbeinen auf dem schmalen Bord saßen. Sie sah Sandys Make-up vor sich, ordentlich aufgereiht auf dem Frisiertisch
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