Himbeersommer (German Edition)
gelockte Italienerin, nehme eine Zucchini auf und fuchtele damit herum. „Vorsicht, die brauch ich noch für mein Zucchini-Parfait“, macht er mich an. Wohl sehend, dass mir nichts passiert ist.
„Hier spielen Kinder, ich hätte ein Kind sein können!“, blaffe ich zurück und ignoriere seinen Charme.
„Bist du aber nicht. Oder doch?“ Er grinst. Mit Grübchen.
Frechheit. Ich mag Grübchen.
„Hast du was mit dieser Baustelle zu tun?“, will er wissen und sieht sich neugierig um.
„Wie kommst du da drauf?“, erwidere ich störrisch.
Er kommt lächelnd auf mich zu, nimmt mir ein Stück Mörtel aus dem Haar und sein ebenmäßiges Gesicht ist mir ganz nah. Keine einzige Falte, schießt es mir durchs Hirn. Wie alt er wohl ist? Mitte zwanzig?
„Kann ich dich auf einen Espresso einladen?“, fragt er frech, steigt auf seine Vespa und gibt etwas Gas.
Für meinen Geschmack zu viel Gas. Ich schüttele den Kopf. „Espresso macht mich komplett verrückt … ich meine … ich hatte heute schon zwei.“
„Ich heiße Daniel“, lächelt er mich an, ohne mich aus den Augen zu lassen.
„Ich Nora“, erwidere ich schnell und drehe mich noch schneller um.
Ich muss Sperma testen, nicht ich, sondern Tobias, sofort. Gut, dass ich das nicht laut gesagt habe. Danke, Kleinhirn.
Ohne mich zu verabschieden, renne ich weiter, Richtung Parkplatz, steige in unseren geräumigen Kombi. Genug Platz für Kindersitze, Laufräder, Kinderwagen.
Der jugendliche Vespa-Fahrer sieht mir amüsiert hinterher.
Mit quietschenden Reifen fahre diesmal ich vor Tobias` Kanzlei in Mitte vor. Berlin-Friedrichstraße – shoppingfanatische Touristen mit Hermés-Tüten versperren mir den Weg. Ich bin mal wieder zu spät. Bestraft mich deshalb das Leben?
***
Die Fahrt zum Urologen wird schweigsam. Tobias schaut aus dem Fenster, als habe er noch nie ein Gucci-Schaufenster von außen gesehen. Während ich über die Brandenburger Strähnchen vor uns fluche, „Himmelherrgottsakrament!“, versuche ich zu überholen. Endlich hat sie ihr Hinterteil in die Parklücke bekommen, und ich kann schnittig an ihr vorbeifahren. – Natürlich nicht, ohne einen kurzen Blick auf die neue Gucci-Kinderkollektion im Schaufenster zu werfen. Rosa Rüschenkleidchen, wie niedlich!
Wir haben uns zu lange vor einem Arztbesuch gedrückt. Ich, weil ich Angst hatte, nicht einmal fähig zu sein, Mutter zu werden – Tobias, weil er vor hundert Jahren für seine Ex-Ex ein Spermiogramm hat machen lassen. „Mit einem 1a-Ergebnis“, wie er lange stolz betont hat. In letzter Zeit betont er das nicht mehr, wahrscheinlich aus Rücksicht auf mich.
Ich weiß, es ist das falsche Thema. Aber um Tobias etwas aufzulockern, erzähle ich ihm von meinem amüsanten Erlebnis bei meinem attraktiven, sonnengebräunten Frauenarzt, bei dem ich letzte Woche meine Abschlussuntersuchung hatte. Wobei ich die Beschreibung seines umwerfenden Äußeren natürlich ausspare.
Männer sind sensibel. Und Männer, die in einer halben Stunde Sperma liefern müssen, besonders.
„Und als mir Dr. Wagner dann gesagt hat, Frau Blume, an Ihnen liegt es mit 98-prozentiger Sicherheit nicht“, bin ich ihm um den Hals gefallen und habe ihn dabei zu Boden gerissen. Das hab ich dir noch gar nicht erzählt, oder?“
Tobias erwacht kurz aus seiner Starre, sieht mich fassungslos an. „Deinen Gynäkologen? Und du lagst dann unten ohne auf ihm?“
„Nein!“, versuche ich ihn lachend zu besänftigen. „Das war, nachdem ich auf dem Gyn-Stuhl war. Angezogen.“
„Aha“, sagt er, und wir steigen in den alten, ehrwürdigen Aufzug aus der Jahrhundertwende, der uns nach oben bringen soll.
Oben tatsächlich angelangt, öffnet Tobias die quietschende Aufzugstür und hält abrupt inne. „Wollen wir nicht einfach noch abwarten?“
Wir stehen vor der Praxis im ersten Stock. Die alten Teppiche riechen modrig.
„Abwarten? Was?“, frage ich ihn verwundert. Bis sich dieser Baby-Virus, der unsere schöne Beziehung immer mehr vergiftet, ganz ausgebreitet hat?
„Ich weiß nicht … wenn wir kein eigenes Kind kriegen sollten, … ist es doch auch nicht so schlimm, oder?“
Ich sehe ihn paralysiert an wie ein hysterisches Kaninchen die lachende Schlange.
„Wir gehen da jetzt rein“, erwidere ich, und hoffe die Lage in den Griff zu bekommen, drücke gegen die Tür und betrete die in Grün gehaltene Praxis. Grün ist die Hoffnung. Und glücklicherweise folgt mir Tobias.
Die blonde Sprechstundenhilfe hinter dem grünen Tresen
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