Himbeersommer (German Edition)
mein Freund …. schnarcht!
„Kinderkriegen ist anstrengend“, frotzelt Sonja, wird aber von dem Aufschrei der Alleinerziehenden unterbrochen, die sich unter Schmerzen krümmt.
„Das gibt’s doch nicht, was ist das denn jetzt, autsch, verdammt, tut das weh!“
Sonja ist sofort bei ihr, befühlt den Bauch.
„Wann ist noch mal dein Termin?“
„In sechs Wochen, aaahhhhhhhh!“
„Schaffst du es rüber, ins Nebenzimmer? Ich will dich mal untersuchen.“
Die Alleinerziehende versucht aufzustehen, sackt aber unter Schmerzen wieder zusammen. Sonja bedeutet mir, die ich als Nächste sitze, ihr zu helfen, und gemeinsam haken wir die Alleinerziehende unter und schleifen sie in den Raum, der so gemütlich aussieht, als befinde man sich selbst im Mutterbauch. Die starken Männer der Runde, die nicht in einen komatösen Schlaf gefallen sind, sehen nur fassungslos und panisch zu und halten sich an den Bäuchen ihrer Frauen fest. Ja, seht genau her, das müssen eure Frauen auch bald erleiden.
Während Sonja die Frau untersucht, halte ich ihr Händchen.
„Mein Mann hat mich letzte Woche sitzen lassen“, jammert sie. „Er glaubt, das Baby ist von einem anderen.“
„Und? Ist es das?“, platzt es aus mir heraus. Und ich beiße mir im nächsten Moment auf die Zunge und denke an Daniel.
Sie sieht mich an, lächelt und nickt. „Ja verdammt. Und es waren die aufregendsten Stunden meines Lebens. Ich bereue keine Sekunde.“
Ich auch nicht, denke ich spontan und lächle, in der Erinnerung an unser Bad im Wannsee.
Sonja taucht verblüfft zwischen den Beinen der Alleinerziehenden auf. „Es geht wirklich los. Da es ein Frühchen wird, solltest du besser ins Krankenhaus.“
Wieder ein gellender Schmerzenschrei. Sonja schickt mich in den Gruppenraum zurück, und ich sehe in erstarrte Gesichter. Nur Tobias hat die ganze Action verschlafen.
„Ist das Baby schon da?“, fragt die eine der In-vitro-Schwangeren blass-naiv und hält sich den Bauch.
„Nein. Das sind nur die Vorwehen“, sage ich bemüht cool, doch spätestens nach dem nächsten, wirklich markerschütternden Schrei, sehe auch ich aus wie ein verschrecktes Küken, das keine Mama mehr hat.
***
Hilde steht schon wieder vor der Tür. „Kindchen, du siehst aber schlecht aus.“ Einer ihrer Lieblingssätze. Ich frage mich jedes Mal, wie man als Frau nur so unsensibel sein kann.
„Danke, du auch“, entfährt es mir deshalb, und ich sehe sie schockiert über mich selbst an. Aber zum Glück hat sie mir mal wieder gar nicht richtig zugehört. Sie rauscht herein und betrachtet das unaufgeräumte Wohnzimmer, als wäre es eine stinkende Müllkippe.
„Tut mir leid, Hilde, ich muss auf die Baustelle.“ Eigentlich hätte ich noch eine halbe Stunde Zeit, aber überhaupt keine Lust auf schwiegermütterlichen Smalltalk.
„Kindchen, in deinem Zustand solltest du jetzt wirklich kürzer treten.“
„In welchem Zustand?“
„Eine Schwangere auf einer Baustelle. Da kann doch so viel passieren.“
„Du meinst, ein Dachziegel könnte direkt auf meinen Bauch fallen?“
Sie sieht mich sauer an.
„Ich werde mit Tobias darüber reden. Er verdient doch genug.“
„Darum geht es doch nicht. Das ist mein Projekt. Ich bin Projektleiterin und will es bis zum Mutterschutz so weit wie möglich …“
„Bis zum Mutterschutz?!“, unterbricht sie mich in einer hysterischen Tonlage. „Du weißt schon, dass es dann ein hyperaktives Kind werden kann?“
Ich sehe sie an, und die Tränen steigen mir in die Augen. Das fängt ja gut an.
„Du hast doch auch gearbeitet, als du mit Tobias schwanger warst.“
„Sicher, aber du siehst ja, was dabei herausgekommen ist. Der Junge hat Hummeln im Hintern.“
„Stimmt. Aber das hat er von dir.“ Ich lächle nett und schiebe sie dezent mit mir zur Tür. Hilde sieht mich an, muss grinsen und gibt mir einen Knuff. „Du trägst das Herz auf der Zunge, Kindchen. Das mag ich an dir.“
Mit einer Schwiegermutter in spe gut klarzukommen, ist ungefähr so schwer, wie zweimal die Woche zum Sport zu gehen, danach nicht beim Bäcker einen Streuselkuchen zu kaufen, denn immerhin hat man ja 23 Kalorien verloren.
Bis jetzt war mein Verhältnis zu Hilde ziemlich sportlich. Doch wenn das Kleine erst mal da sein wird, fürchte ich, müssen wir einen neuen Oma-Fitnesstest bestehen.
Magda, bei der ich noch schnell einen Espresso trinke, bevor ich auf die Baubesprechung muss, grinst mich an.
„Dein Leben wird sich um 360 Grad ändern, Nora. Man kann es
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