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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Saskia Beyer
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spielen.“
„Was aber an seiner herrschsüchtigen Cousine lag, die immer wollte, dass er das Baby ist, hat er mir mal erzählt“, werfe ich in einer Atemholpause von Hilde ein, auch um meinen Liebsten zu verteidigen und nicht als unsensiblen Deppen dastehen zu lassen.
„Wie auch immer. Ihr braucht einen Schubs. Hier ist er.“
Ich sehe mir die Broschüre an. „Geburtsvorbereitung der Extraklasse. Aha.“
„Ein ganz normaler Kurs. Wenn du sonst irgendwie Unterstützung brauchst, ich habe mein Charity-Engagement eine Zeit lang niedergelegt, ich will jetzt ganz für meinen Enkel oder meine Enkelin da sein.“
Ich starre Hilde an. Sie weiß nicht, dass das da in meinem Bauch nicht wirklich ihr Enkel ist. Was, wenn sie es wüsste?
„Das ist aber lieb von dir“, beeile ich mich zu sagen. „Aber im Moment muss ich ja nur brüten.“
Sie lacht. „Kann ich mal das Kinderzimmer sehen?“
Ich fahre etwas zusammen, denn ich bin mir sicher, dass das Kinderzimmer im jetzigen Ist-Zustand bei Weitem nicht den Vorstellungen von Hilde entspricht.
„Es ist doch noch längst nicht alles fertig.“
„Eben drum. Ich kaufe gerne noch was ein. Na los, zeig schon.“
Und schon ist sie auf dem Weg nach oben. Deutlich langsamer folge ich ihr hoch und höre auch schon einen Entsetzensschrei.
„Kindchen, das geht aber nicht! Das Bett kann doch nicht am Fenster stehen. Das ist ein Südzimmer, wollt ihr, dass das Kleine in der Sonne verbrennt?!“
„Natürlich nicht. Wie gesagt, wir sind ja noch längst nicht fertig.“
Hilde nickt vielsagend. „Ihr habt ja wirklich gar keine Ahnung.“
Sie sieht sich noch mal um, zückt ihren Timer und macht sich eine Notiz. Neugierig spähe ich ihr über die Schulter, sehe aber nichts. Es ist übel, aber wahr.
Ich bin 39 und brauche eine Lesebrille!
     
     

***
     
Tobias kommt gerade aus der Kanzlei gehetzt, würde am liebsten den Fernseher anmachen, n-tv gucken und die Beine hochlegen. „Stattdessen muss ich hecheln gehen“, sagt er in einem Ton, als ob er Eier legen müsste
„Typisch Mann, du musst doch nur mit hecheln! Ich habe die Schmerzen, muss pressen, hecheln und bluten.“ Allein bei dem Gedanken an das viele Blut wird mir ganz blümerant.
„Das hat der liebe Gott schon richtig gemacht“, grinst Tobias frech und ich werfe ein Kissen nach ihm.
     
An den orange gestrichenen Wänden der Hebammenpraxis hängen silbern gerahmte Bilder von zahlreichen Promis. Dana Schweiger gleich viermal, Heike Makatsch, Jasmin Tabatabai…
Wir befinden uns also dank Oma Hilde in allerbester Gesellschaft. Die Hebamme ist nicht nur Hebamme, sondern auch Yoga-Expertin. Kundalini-Yoga.
„Bitte was?“ Tobias verzieht das Gesicht, aber er reißt sich zusammen. Er hält das Stillkissen, das ihm die patente, blonde Hebamme in die Hand drückt, als wäre es ein rohes Ei, das ihm gerade zerbrochen ist und zwischen den Fingern zerfließt.
„Der Wehenschmerz kann mit der richtigen Vorbereitung ein sinnlich-positives Erlebnis sein“, begrüßt die Hebamme die erlesene Runde. Oma Hilde scheint einen Kurs 40+ gebucht zu haben. Zumindest glaube ich, die Faltenfreieste hier zu sein. Meine Bauchfalten sind dank des dicken Schwangerschaftsbauchs ja auch endlich mal weg.
Der Kurs besteht aus nur fünf Paaren und einer Alleinerziehenden. Die Arme! Wieso um Himmels willen bucht man einen Partnerkurs, wenn man keinen Partner hat? Diesen Umstand hat sie nämlich bei der Vorstellungsrunde schamvoll verkündet.
Drei der fünf Paare erwarten Zwillinge und berichten stolz, dass dies In-vitro-Kinder sind.
Tobias und ich sehen uns einen Moment unwohl an. Dann umschließt er mit seinen Händen meinen Bauch. Und wir sind uns plötzlich wieder sehr sehr nahe. Verträumt sehen wir uns an, und ich bin mir sicher, dass uns diese unfreiwillige Spermaspende das Leben gerettet hat.
Sonja, die Hebamme, lächelt uns an. „Das ist kein Traumtänzer-Kurs, sondern einer, der realistisch auf unterschiedliche Situationen im Entbindungszimmer vorbereitet.“
Entsetzt starre ich sie an, sehe Chirurgenmesser vor meinem inneren Auge blitzen, Hektik im Kreissaal, Schmerzensschreie. Aber Tobias` warme Hand auf meinem Bauch ist so beruhigend, dass ich mich entspanne. Und auch Tobias scheint mit dem Kurs seinen inneren Frieden gemacht zu haben. Er ist, während ich ihm den Rücken massiere, auf dem Bauch eingeschlafen! Mit offenem Mund, vibrierenden Nasenhaaren, zum Glück nicht nackt. Die Hebamme grinst mich an, und ich höre peinlich berührt wie

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