Himbeersommer (German Edition)
wunderbare Drehung nach der anderen! Als dann auch noch „I’m still loving you“ einsetzt, ist es um mich geschehen. Ich starre ihn an und weiß, dass ich noch einiges für ihn empfinde und jetzt sofort fliehen muss, um nicht wieder in seinen Bann gezogen zu werden. Ich sehe auf meinen Bauch. Daniel weiß nicht, dass ich schwanger bin, und er darf mich so auf keinen Fall sehen.
Detlef und sein schleimiger Freund diskutieren hinter mir mit der genervten Jacky, wieviel Babys durch die Bauchdecke hören können - oder auch nicht. Ich höre jedenfalls nichts mehr, ich muss hier weg.
Während Jacky an mir vorbei an die Theke stürzt, um einen Non-Alkohol-Cocktail für mich beim Ober zu bestellen, springe ich ohne jede Erklärung auf und haste in die entgegengesetzte Richtung von Daniel, mal wieder Cinderella-like, davon.
***
Am nächsten Morgen geht Jacky zum Glück an ihr Handy.
„Du bist wirklich die fieseste Freundin, die ich je hatte, und ich will dich nie nie wieder sehen, verstanden?!“, knallt sie mir entgegen und drückt mich einfach weg.
Puh. Ich schätze, dass ich sie mit diesem Detlef und seinem nervtötenden Kumpel alleingelassen habe, hat ihr den Rest gegeben. Das verzeiht sie mir nie. Denn Jacky kann sehr nachtragend sein. Sie weiß noch wie heute, dass ich vor zehn Jahren ungefragt genau den gleichen blau-rot-gepunkteten Badeanzug wie sie gekauft habe, weil ich den ihren so hübsch fand. Ich glaube, sie hat ihn nie wieder angezogen, weil ich ihrer Meinung nach die tausendfach bessere Figur darin habe, oder sagen wir besser: hatte.
Was eine Schwangerschaft aus einer Figur machen kann, muss ich Müttern nicht sagen. Zumindest Müttern, die nicht im achten Monat noch fröhlich joggend durch den Park gelaufen sind und es nur geschafft haben, sich zum Rückbildungskurs nach Pilates anzumelden, aber niemals, auch nur ein zweites Mal hinzugehen.
Ich hasse Joggen und stopfe gerade mein viertes Nutella-Croissant in mich hinein. Tobias kredenzt mir meinen zweiten Latte Macchiato entkoffeiniert. Wir frühstücken gemütlich wie jeden Samstag, nur werden die Berge, die ich vertilge, jede Woche voluminöser, leider überproportional zu meinem Bauch.
Tobias sieht mich mit diesem Blick an, der besagt: Oh mein Gott, sie wird doch eine dieser Frauen, die pro Kind zehn Kilo zulegen und es in ihrem ganzen Leben nie wieder verlieren!
Und ich werfe ihm einen Blick zu à la: Keine Sorge, Schatz, auch wenn ich so unsportlich wie eine Hängematte bin, ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens als Molly herumzulaufen. Wir lächeln uns an.
„An was denkst du gerade?“ Ich kann es mir einfach nicht verkneifen.
„An das Schalke-Spiel heute Abend, und du?“
„Dass wir nicht genug Strampler haben. Die von deiner Mutter gehen gar nicht.“
„Und die Lilanen von deiner Mutter haben alle Blümchen drauf. Was, wenn es ein Junge wird, der nicht auf Hippie-Mode steht?“
Wir grinsen uns an.
„Du weißt, was das heißt?“ Ich trinke meinen letzten Schluck Latte und freue mich schon. „Wir haben wirklich noch nicht alles.“
„Oh nein.“
„Oh doch.“
„Ich muss ganz dringend noch mal in die Kanzlei.“
„Heute ist Samstag. Und wenn es schon sein muss, kannst du das danach. In der Friedrichstraße wimmelt es nur so vor Läden für Babyklamotten.“
„Ich habe da noch nie einen einzigen gesehen.“ Tobias wirkt ziemlich unbegeistert.
„Aber ich.“ Shoppen für mein Baby ist ab heute eine meiner größten Leidenschaften.
„Da gibt es doch nur Designerläden. Das können wir uns im Moment beim besten Willen nicht leisten, Nora. Denk an den Kredit.“
Ich sehe ihn an und werde langsam richtig sauer. „Denk an unser Kind. Soll es von Anfang an das modische Feingefühl einer Zwiebel bekommen?!“ Meine Stimme klingt jetzt irgendwie brüchig und Tränen steigen mir in die Augen. Ich denke an Daniel. Hätte er genauso stumpf reagiert?
„Oder freust du dich etwa gar nicht darauf? Auf unser Kind, meine ich?!“
Tobias zögert mit seiner Antwort, eine Sekunde zu lang. Dann nickt er schnell.
„Doch, doch, natürlich“, und er versucht es mit einem Scherz. „Aber abgesehen davon, Zwiebellook ist doch immer in, Schnecki.“
Ich schniefe meine Tränen zurück und lächle leicht verkrampft.
Tatsächlich ist die Hermès-Kinderkollektion, in die ich Tobias doch geschleppt habe, (nur, um mal zu schauen, was Madonnas Kinder so tragen) unfassbar teuer. Die gut gestylte, brünette Verkäuferin schenkt Tobias ihr
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