Himbeersommer (German Edition)
kein Mathegenie sein, um sich auszurechnen, dass dieses niedliche Kind an meiner Hand, das exakt seinen sinnlichen Mund hat, das seine sein muss. Danke, Trudi für diese niederschmetternde Erkenntnis. Man trifft sich immer mehrmals im Leben. Ich muss es ihm sagen. Möglichst bald. Trudi muss ganz schnell „pullern“, ich soll ja warten, um die Handy-Nummern auszutauschen, aber ich warte nicht. Knoblauch-Trudi war mir damals schon peinlich, als sie die Typen anquatschte mit „Hey, meine Freundin steht auf dich, sie ist nur so schüchtern, weil sie eine Zahnspange hat, die stört aber nicht beim Knutschen.“
Sie hat gestört. Vielleicht war und bin ich aber auch einfach zu sensibel.
Zu Hause lege ich mich erstmal in die Badewanne und betrachte meine immer dicker werdenden Schenkel. Schwanger sein ist eine wirkliche Nervenprobe. Nie wieder wird sich ein Mann für mich interessieren, falls mich Tobias verlassen sollte, denke ich. Und schon dreimal kein jüngerer.
Was am Schwangersein dagegen großartig ist, das sind meine neuen, prallen Brüste. Meine neue, als Teenie so sehnlichst herbeigewünschte, Körbchengröße C, die ich von nun ab mit tiefen Ausschnitten üppig in Szene setzen werde.
Die Gerüstbauer auf meiner Baustelle werden begeistert sein. Tobias dagegen erkundigt sich am nächsten Morgen nur, ob ich nicht besser einen Schal anziehen will, „nicht, dass du dich verkühlst.“
Beim hektischen Espresso-Frühstück lege ich ihm den Prospekt einer Hebammenpraxis auf den Tisch.
„Sieh dir das mal an. Wir müssen dringend mit dem Geburtsvorbereitungskurs anfangen. Vermutlich sind wir eh schon wieder viel zu spät damit dran, … wie mit dem Kinderkriegen“, versuche ich einen Scherz.
Er sieht mich an und wirkt plötzlich sehr sehr nachdenklich.
„Ein Mutter- Vater -Kurs? Ich bin doch gar nicht … ich meine, ich komme dafür doch immer viel spät aus der Kanzlei.“
„Wolltest du jetzt etwa sagen, du bist nicht der Vater?!“
„Nein, natürlich nicht.“
„Wolltest du doch!“ Meine Stimme klingt plötzlich gereizt.
„Nora. Die Kurse fangen doch bestimmt alle um fünf an.“
„Pech gehabt. Der da ist um acht. Hier.“
Ich knalle ihm den esoterisch angehauchten Flyer auf die Untertasse, dass es scheppert.
Er starrt auf das Yin- und Yang-Symbol und schüttelt den Kopf.
„So ein Eso-Hechelkurs, das ist nichts für Männer.“
Ich sehe ihn fassungslos an, und in dem Moment klingelt sein Handy. Er nimmt dankbar ab, doch seine Stimme klingt sofort genervt.
„Mama … Was? Ja, ich habe Stress … Ja mit Nora. Wie kommst du darauf?“
Mein Blick wird noch fassungsloser, aber er lächelt jetzt.
„Schwangere Frauen sind eine tickende Zeitbombe - so, so, wem sagst du das. Es ging nur um einen Geburtsvorbereitungskurs. Mal ehrlich. Vater hat damals doch bestimmt auch keinen mitgemacht, oder?“
Er lauscht, aber die Antwort scheint ihm nicht zu gefallen.
Jetzt lächle ich. „Gib mal her.“
Ich ergreife sein Handy.
„Hallo Hilde. Und, hat Raimund oder hat er nicht?“
„Nora, Liebes, grüß dich“, flötet es aus dem Hörer. „Selbstverständlich hat er mitgemacht. Glaubst du, ich hätte ihm das durchgehen lassen?“
Ich liebe meine Schwiegermutter in spe. Tobias steht derweil auf und zieht seinen Mantel an. So kommt er mir nicht davon.
„Weißt du, Nora, Tobias ist manchmal etwas lasch, du musst ihm schon zeigen, wo’s lang geht.“
„Mach ich, Hilde, darauf kannst du dich verlassen. Tschötschö.“
Ich lege auf. Tobias will gerade gehen, doch ich pfeife ihn zurück wie ein Schiedsrichter einen kleinen Jungen im Trikot.
„Dein Handy, Schatz. Und Kuss.“
Tobias nimmt sein Handy und küsst mich hektisch auf den Mund.
„Du kannst ja nichts dafür, Schnecki. Du bist halt schwanger“, sagt er noch und lässt mich mit offenem Mund und saurem Aufstoßen zurück.
Zwei Stunden später steht Hilde auf der Matte. Elegant und nach Chanel Nr. 5 duftend wie immer. Sie hat einen Geburtsvorbereitungskurs für uns gebucht.
„Voilà!“
„Wie bitte?! Woher weißt du denn, wann wir Zeit haben?“
„Kindchen, du bist schwanger, du hast Zeit und mein Herr Sohn nur spät abends. Wie ich euch beide kenne, würde es bis nach der Geburt dauern, bis ihr euch für einen Kursus entscheiden könnt. Du, weil du zu der Kategorie Frauen gehörst, die notorisch entscheidungsschwach sind, und er, weil er sich gerne um so Dinge drückt. Tobias wollte schon als Kind nicht mit seiner Cousine Vater, Mutter, Kind
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