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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Saskia Beyer
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wie ein Studium, sich in all die diffizilen, tückischen Themen einzuarbeiten. Jetzt begreife ich endlich, warum sich Mütter stundenlang über ihren Nachwuchs unterhalten können und müssen. Das, was jeden Single-Menschen zur Weißglut bringt, und wo sich jeder sicher ist, so werde und will ich nie sein, zu so einem Muttertier mutiert man, wenn sich da so ein kleiner Alien in einen reingeschlichen hat und man keine Ahnung hat, ob „Listeriose“ eine neue Zahnpasta-Marke ist.
     

***
     
Ich sitze auf einem Zwergenstuhl und meine aufgedunsenen Wasserbeine schmerzen. Es ist Eltern-Info-Abend in einer der heißbegehrtesten Kitas. Eine Schwangere neben mir strickt Söckchen.
„Ich habe da noch eine große, wunderschöne Palme, die könnte ich ihrer Kita spenden“, sagt ein werdender Vater, Marke Unternehmensberater. Ich fasse es nicht. Er erdreistet sich wirklich, die Kitaleiterin zu bestechen! Und das vor aller Ohren. Ich denke an meine mickrige Yucca-Palme, die schon ziemlich verdorrt ist, und mir wird klar, dass mein Kind nie die gleichen Chancen haben wird wie seines.
Doch zum Glück lächelt die Kitaleiterin nur schief. Und erleichtert stelle ich fest, dass der Typ bei ihr sofort unten durch ist. Kitaleiterinnen sind taffe Frauen und lassen sich von solchen Männern nicht um den Finger wickeln.
100% Bio-Essen oder nur Bio-Fleisch, Bildungsangebote oder nur freies Spiel, Öffnungszeiten, Ferienschließzeiten, Größe der Gruppe und wie viele Erzieher pro Gruppe. Es gibt viel zu beachten und mir schwirrt der Kopf. Die strickende Mutter neben mir lächelt.
„Ich will mein Kind doch nur liebevoll betreuen lassen.“
Und ich gebe ihr recht. „Ich stelle die Kita-Suche ein. Immerhin stehe ich auf 25 Wartelisten. Soll das Schicksal entscheiden.“
Die Kitaleiterin sieht uns streng an. Getuschelt wird nicht.
Schicksal. Gerade als ich wieder an Daniel denke, klingelt mein Handy. Es ist Tobias.
„Schatz, wegen der wackelnden Kloschüssel, kontaktier doch bitte mal den Klempner. Da haben wir noch Garantie drauf.“
„Ja, klar, mach ich“, antworte ich leise und lächle vor mich hin. Daniel würde mir nach sieben Jahren vermutlich auch keine romantische SMS mehr schicken, das ist doch klar. Denn wenn die Kloschüssel wackelt, muss einfach ein Klempner her.
Wieder klingelt mein Handy, und die Kitaleiterin wirft mich raus. Ich habe einfach auf den Knopf meines Handys gedrückt, stehe jetzt draußen auf einem kühlen Flur und lausche, wer dran ist.
Daniels Stimme klingt fürchterlich erotisch.
„Ich vermisse sich. Unendlich. Wo bist du, ich muss dich sehen!“
Blass starre ich auf die aus Sperrholz gesägten, bunt angemalten Kindernamen, die über den Garderobenhaken hängen. Lina, Leon, Lotta, (fällt den Müttern eigentlich noch was anderes ein außer ein Name mit L?), ah da, Felix, Max, Anna, Mia. Die Top 10 der beliebtesten Kindernamen. Die Giraffengruppe.
„Nora? Bitte, wo bist du?“
„Ich … äh … bei den Giraffen“, höre ich mich sagen.
„Was machst du im Tierpark?“, wundert er sich sehr.
Ja, was mache ich hier. Ich melde deinen Embryo zum Spielen mit Giraffenbabys an, kann ich ja schlecht sagen und starre einem Affen auf einem Plakat in die Augen. Daniel darf nicht wissen, dass ich schwanger bin! Nie! Aber wie soll das nur gehen?!
„Nora?“
Die Elternveranstaltung ist zu Ende. Die Tür zum Spielraum geht auf, besorgt dreinschauende Eltern kommen heraus.
„Ich muss Schluss machen, sorry“ , mein Blick wandert wieder zu dem Poster. „Das Irren- äh, Affenhaus schließt.“
Was, wenn ich Daniel einfach nie von seinem Kind erzähle?
Im gleichen Moment kommt eine Schwangere in lila Latzhose Richtung Toilette gehuscht. Sie sieht mich, stoppt, kann es nicht fassen.
„Nora, du hier? Und schwanger, nää! Mensch, du hast dich ja verändert, naja, wir werden alle älter, so ein Zufall, du fandest Kinder doch immer den reinsten Horror?“ Sie fällt mir einfach um den Hals. Erst als ich ihren Knoblauch-Geruch einatme, fällt es mir wieder ein. Wir hatten uns im 1. Semester in München kennen gelernt. Und stimmt, ich fand Kinder damals Horror.
„Supi, du hast auch so dicke Elefantenbeine wie ich. Dieses Wasser, sagt meine Tante, geht ja nie wieder ganz raus. Knoblauch hilft, hoffe ich.“
„Ach Trudi, Zufälle gibt’s“, murmle ich schockiert und mir wird klar, dass ich Daniel ganz sicher noch mindestens 50 000 Mal in meinem Leben über den Weg laufen werde. Denn das Schicksal will es so. Und er muss

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