Himbeersommer (German Edition)
überhaupt an?“
Ich sehe an mir herunter und sehe, dass mein gelbes Sommerkleid von Esprit zwar meine neue Körbchengröße betont (der Ausschnitt geht fast bis zum Bauchnabel), aber am Bauch extrem spannt.
„Shit, das sieht ja aus wie eine Gelbwurst. Das hab ich ja gar nicht gesehen.“
Tobias nimmt mich liebevoll in den Arm und schüttelt lächelnd den Kopf. „Sieht super aus, und dass dein Bauch so kurz nach der Geburt nicht wieder wie früher ist, ist doch völlig normal. Du siehst wirklich klasse aus. Ich bin froh, dass du nicht eine von diesen Frauen bist, die wochenlang nach der Geburt noch im Nicki-Hausanzug rumschluffen und sich nicht schminken, damit der Mann am Abend auch ja sieht, was für ein Stressjob das Mutter- und Hausfrauendasein ist.“
Ich sehe ihn baff an. Erstens hat er schon lange nicht mehr so viel am Stück zu mir gesagt und zweitens hätte ich nicht gedacht, dass Tobias doch auch nur ein Mann ist. Genau wie ihn meine Mutter beschrieben hat. Danke, Mama, denke ich und setze mich galant auf den Stuhl, schwinge ein Bein lasziv über das andere und bin froh, sogar einen Lippenstift aufgetragen zu haben. Männer sind ja so einfach zufriedenzustellen, wieso sollten wir klugen Frauen das dann nicht ganz einfach tun?
Der Abend wird wunderbar, die Pizza ist ein Genuss, und sogar Lisa, die ziemlich bald aufwacht, scheint von dem Pizzaduft ein wenig betört zu sein. Denn immerhin schreit sie nicht und lächelt uns an. Was sind wir doch für eine hübsche Werbefamilie.
Die Nacht wird ein Albtraum. Gerade als wir alle im Bett liegen, die Stimmung endlich mal wieder prickelnd erotisch wird und Tobias an meinem Ohrläppchen knabbert, schreit Lisa los. Sie ist glühend heiß und hat Fieber. Einerseits bin ich froh, weil ein Teil von mir sich immer noch hundeelend fühlt wegen Daniel, doch der andere Teil sehnt sich sehr nach Tobias, nach seinem Geruch, seinen Berührungen und seiner Kraft.
Lisa hat 40,2 Fieber, ich starre erst das Fieberthermometer, dann Tobias panisch an.
„Wir müssen ins Krankenhaus.“
„Mitten in der Nacht?“
„Willst du warten bis sie stirbt?!“
„Nora, jetzt übertreib doch nicht immer so. Kleine Kinder haben oft sehr hohes Fieber.“
„Ach ja, und woher willst du das so genau wissen? Wie viele Kinder hast du denn schon?“
Er sieht mich sauer und verletzt an. Fettnapf. Er kann keine Kinder bekommen, und ich reite darauf herum.
„Tut mir leid, ist mir nur so herausgerutscht. Aber was, wenn sie einen Fieberkrampf bekommt?“
„Einen Fieberkrampf? Was soll das denn sein?“
„Hatte der Kilian von Suse im Supermarkt, vor der Fleischtheke. Das Kind krampft, wie bei einem epileptischen Anfall, muss der Horror sein, sagt Suse.“
„Also gut, lass uns ins Krankenhaus fahren.“ Tobias seufzt, steht auf, zieht seinen Schlüpfer und seine Hose an, und ich packe das Nötigste zusammen.
„Nora, wir fahren nicht vier Wochen nach Mallorca, den Föhn kannst du wirklich hierlassen.“
„Und was, wenn sie Lisa dabehalten, also mich auch? Ich muss morgen unbedingt die Haare waschen.“
„Deine Probleme will ich mal haben.“ Tobias legt Lisa vorsichtig in den Maxi-Cosi, und los geht’s.
Im Krankenhaus speisen sie uns schnöde mit Fieberzäpfchen ab und schicken uns wieder nach Hause. Der Arzt, ein kräftiger Russe mit starkem Akzent, regt sich bei der etwas auseinandergegangenen Krankenschwester noch über hysterische Spätgebärende auf - ich habe es genau gehört - und sieht mir dann auf den Hintern. Erst bin ich sauer, doch dann irgendwie froh. Als ich im achten Monat schwanger und aufgedunsen war, hat mir keiner mehr hinterhergepfiffen, nicht einmal Manni von meiner Baustelle.
Am nächsten Morgen ist das Fieber weg und Lisa wieder quietschvergnügt. Ein Glück.
***
Daniel darf Lisa ein- bis zweimal in der Woche sehen. Das ist unser Deal. Natürlich hat er darauf gedrängt, natürlich kann ich es ihm nicht verwehren.
Die Übergabe findet wortkarg im Volkspark statt.
„Nora, ich habe euch so vermisst.“
„Hi. Du, ich muss gleich noch ein paar Erledigungen machen, Windeln, Schnuller und so, und dann zum Frauenarzt. Ich hole Lisa hier um 15 Uhr ab, in Ordnung?“
„In Ordnung.“ Er sieht mich an und leidet.
„Hier ist ihre Windeltasche, mit Wechselwäsche, Fläschchen, heißem Wasser, kennst du ja alles. Wenn sie weint, dann ruf mich auf jeden Fall an, ja, vielleicht vermisst sie mich.“
„Ich dich auch.“
Ich ziehe mich rasch zurück.
Und Daniel
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