Himbeersommer (German Edition)
der Linken, das Fläschchen mit rechts in der Küche zu bereiten. Doch da ich leider zwei linke Hände habe, rutscht mir das Milchpulver zu Boden und verteilt sich auf den Fliesen.
Und meine Tränen fließen auch. So habe ich mir das Mutterglück in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt.
Die einsame Espressotasse in der Spüle scheint mich zu verhöhnen. Tobias ist schon zur Arbeit und ich sitze hier. Im Morgenmantel, ungeduscht und völlig ungeschminkt. Und Daniel versucht, mich am Handy anzurufen.
Gleichzeitig klingelt es an der Tür und Lisa schreit. Mit dem Kind in der Hand hetze ich zur Tür, mache sie auf, lasse meine verdutzte Mutter herein, drücke ihr das schreiende Bündel in die Hand und rase zurück in die Küche. Dort kratze ich das Milchpulver vom Boden, den Tobias zum Glück gestern Abend noch gewischt hat, werfe den Wasserkocher an und mische das lauwarme Wasser mit der Folgemilch zusammen.
„Wieso schreit sie denn so?“, will meine Mutter, jetzt schon genervt, wissen. „Und wie sieht’s denn hier aus? Du hast ja mal wieder gar nichts im Griff, Nora!“
„Danke, Mama, genau du hast mir jetzt noch gefehlt.“ Ich nehme ihr Lisa aus dem Arm, setze mich auf einen Küchenstuhl und gebe der Kleinen die Flasche. Begierig trinkt sie und schaut mich mit ihren babyblauen Augen groß an. Sofort geht es mir wieder gut, und mein Herz hüpft.
„Du läufst herum wie die letzte Schlampe! Willst du, dass dich Tobias gleich nach drei Wochen sitzen lässt?!“
„Mama!“, herrsche ich sie an, wie ich es bisher nur einmal gemacht habe, als sie mich als Teenie vor der versammelten Verwandtschaft mit 18 Jahren als alte Jungfer, die keinen mehr abkriegt, bloßgestellt hat. „Nora hat immer noch keinen Freund, also nach mir kommt sie nicht“, hat sie damals gesagt. Und damit meinen Onkel zu der polternden Aussage gebracht: „Die Nora, die nimmt eben nicht jeden, da muss schon ein Prinz kommen, hoch zu Ross.“
Und jetzt sitze ich da und habe das Problem, von dem ich damals nur träumen konnte: zwei Prinzen und sogar noch eine Prinzessin.
Was Schlafmangel und Dauergebrüll aus einer Fastvierzigerin, die aufgrund ihres Alters eh nur noch eine begrenzte Zahl an Nerven hat, machen können, ist nicht zu unterschätzen.
„Ich habe ungefähr zwei Stunden geschlafen, Lisa hat die ganze Nacht geweint, ich habe noch nichts gegessen, geschweige denn einen Kaffee getrunken …“
„Na und?“, unterbricht mich meine Mutter lächelnd. „Genauso geht es so ziemlich jeder Frau, die ein Neugeborenes hat, was denkst du denn? Nur, wenn du das jemandem erzählst, kann das wirklich keiner nachvollziehen. Und sogar die, die Kinder haben, die haben das irgendwie wieder vergessen. Das ist ja das Gute. Es geht vorbei.“
„Jetzt komm mir nicht wieder mit diesem Das-ist-nur-eine Phase–Geschwätz.“
„Ist aber nur eine Phase. Dauert nicht mehr lange, dann kommt die Phase, wo sie kaugummikauend keinen Bock auf gar nichts haben, ihr Zimmer nicht aufräumen und die Mutter zum Kotzen finden.“ Sie grinst. „Liebes, geh duschen, zieh dich hübsch an, versuch einfach, immer eine wunderbare Frau zu sein. Männer mögen keine aufgedunsenen, keifenden Muttis. Oder willst du etwa das Gegenteil behaupten?“
Ich sehe sie an und weiß, dass sie recht hat. Wie vielen meiner Freundinnen ist es genau so ergangen. Diese anstrengende Baby-Anfangszeit kann die beste Beziehung ruinieren. Und jetzt endlich weiß ich, warum. Ich liebe dieses kleine Wesen über alles, aber ich bin auch nur ein Mensch. Ein 39-jähriger Mensch mit leider ziemlich angefressenen Nervensträngen.
„Also, du passt auf Lisa auf, ich geh duschen.“ Ich stehe auf, lege Lisa in ihren Laufstall und stelle schon mal die Espressomaschine von Saeco an.
„Ich?! Na, du machst es dir wieder leicht. Aber hurry up, ich habe eigentlich nur ein Viertelstündchen Zeit. Mein Meditations-Kurs geht bald los. Und danach habe ich ein Date. Aus einer dieser Eso-Partnerbörsen, www.Gleichklang.de. Seine Schwingungen stimmen mit meinen zu 100 Prozent überein, ist das nicht mystisch?!“
„Der Wahnsinn, Mum.“
Am Abend empfange ich Tobias mit einem romantischen Candle-Light-Dinner wie aus der Werbung.
Zweimal Pizza Diabolo von Dr. Oetker, immerhin etwas Warmes. Und Tobias ist wirklich überrascht.
„Was ist denn nun schon wieder los?“, begrüßt er mich alarmiert und mittelbegeistert.
„Nichts“, ich lächle ihn an und hoffe, dass Lisa nicht aufwacht.
„Und was hast du
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