Himbeersommer (German Edition)
konnte nicht.“, plappere ich hektisch los. „Es war total stressig, weißt du, so eine Geburt ist kein Honigschlecken. Sie haben mich da unten aufgeschnitten wie ein …“ Was rede ich da?! Honigschlecken, unten aufgeschnitten … Schockiert sehe ich ihn an und er mich.
„Sie ist wunderschön. Genau wie du.“ Daniel sieht seine Tochter ergriffen an, streckt seine Hand aus und berührt zart ihr Händchen, das Lisa sofort ergreift.
Das Kind kommt eindeutig nach mir. Ich habe früher auch alles genommen, was ich nur kriegen konnte, hat mir meine Mutter erst gestern erzählt. „Du hast mir meine gute Figur genommen, meine Nerven, meinen Mann. Ich habe dich gewarnt. Frauen, die etwas glamouröser sind als andere, sollten keine Kinder bekommen.“
„Ja Mama“, habe ich geantwortet. „Ich bin aber nicht glamourös. Ich bin total durchschnittlich. Guck dir nur meine Haarfarbe an. Straßenköterblond.“
Daniel sieht Lisa an, als habe er einen Regenbogen gesehen. Seine Augen leuchten, sein Mund lächelt. Und mir wird klar, dass es genau dieser Blick war, der mir bei Tobias bisher gefehlt hat.
„Erzähl mir von der Geburt, ich will alles wissen, bitte.“ Daniel nimmt Lisa heraus, als halte er einen winzigen Engel in Händen.
„Das Köpfchen, du musst es halten“, schnell eile ich ihm zu Hilfe und unsere Hände berühren sich. Wir sehen uns an, und es ist wieder da, dieses furchtbar schöne Gefühl.
Ich setze mich schnell auf eine Bank und Daniel mit Lisa ebenso. Während ich ihm in drastischen Farben von Meyer-Geulen und Konsorten und der blutigen Geburt erzähle, beobachte ich sein Gesicht, dass nun Wange an Wange mit dem von Lisa ist. Und wie durch ein Wunder schläft sie die ganze Zeit weiter, als wäre sie endlich angekommen.
Daniel scheint vor Mitleid mit mir und Glückseligkeit als frisch gebackener Vater überzufließen. Und ich fühle mich plötzlich, als würde ich die nächste Sekunde ohnmächtig und wie ein Reissack umkippen.
„Ich muss gehen, Lisa kriegt gleich Hunger.“ Ich nehme sie ihm ab, und wieder berühren sich unsere Hände.
„Dann still’ sie doch hier“, er sieht mich an, als wäre das das Natürlichste der Welt. Aber nicht für mich, die ich meinem Kind keine Milch geben kann.
„Ich kann nicht“, bringe ich nur heraus. Lisa fängt sofort an zu schreien, ich lege sie sanft in den Wagen und schiebe davon. Daniel eilt mir hinterher.
„Bitte, Nora, wie soll das denn jetzt weitergehen? Wie?!“
„Ich weiß es doch auch nicht. Lass mir Zeit, ich kann einfach nicht mehr!“
Und er lässt mich und sieht mir mit hängenden Armen hinterher.
***
Es ist drei Uhr in der Nacht, Tobias steht nackt neben der Wiege und sieht mich genervt an. „Was hat sie denn jetzt schon wieder?“
Lisa schreit und schreit, und das, obwohl ich ihr gerade die Flasche gegeben habe.
„Ich weiß es doch auch nicht, ich bin so müde!“
„Was glaubst du, was ich bin? Ich kann mich bei der Arbeit überhaupt nicht mehr konzentrieren. Gestern habe ich einem Mandanten zur Scheidung geraten, obwohl er wegen einer Bausache da war.“
„Oh Gott. Vielleicht hat sie Blähungen?“
„Oder es sind die Zähnchen?“
„Doch nicht so früh.“ Ich nehme Lisa raus und laufe mit ihr im Zimmer auf und ab.
„Woher willst du das wissen, du kennst dich doch auch nicht aus.“ Tobias sieht mich richtig entnervt an.
“Danke. Willst du damit sagen, dass ich eine schlechte Mutter bin?!“
„So ein Schwachsinn, das ist wieder typisch Frau.“ Tobias wirft sich einen Bademantel über, er friert.
„Vielleicht tut ihr ja irgendetwas anderes weh?“ Ich sehe das brüllende Wesen besorgt an.
„Ach, Babys schreien halt, das hat die Kinderärztin doch auch gesagt.“
„Aber doch nicht so viel!“ Zumindest habe ich mir das nie so vorgestellt. Obwohl Jacky immer meinte, dass sich kein Mensch vorstellen kann, wie das ist, mit einem ständig brüllenden Kind.
„Ich schlafe ab jetzt jedenfalls unter der Woche im Keller.“ Tobias schnappt sich Kopfkissen und Decke und geht.
„Super, du gehst einfach - und ich?!“, rufe ich ihm bissig hinterher. „Ich halte das auch nicht mehr aus, ich kann einfach nicht mehr!“
Doch Tobias ist schon weg. Lisa schreit und schreit, und ich lege sie neben mich in das große, leere Bett, summe ihr etwas vor, was sie aber gar nicht hören kann, so laut ist ihre Stimme.
Am nächsten Morgen wache ich auf - durch Geschrei. Jetzt hat sie vermutlich Hunger, und ich beeile mich, das brüllende Kind in
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