Himmel uber Langani
schien eine Ewigkeit vergangen zu sein. Wie gerne hätte sie die Finger um sein Handgelenk gelegt, das Armbänder aus Leder, Kupfer und bunten Perlen zierten. Nomadenarmbänder und passend für einen Mann, der den Großteil seines Lebens im Busch verbrachte und ständig von Ort zu Ort zog. Sie fragte sich, wie sein Haus in Nairobi wohl aussah und ob er irgendwann einmal eine Freundin gebeten hatte, ihm beim Einrichten zu helfen.
Anthonys Mutter hatte Kenia vor zwei Jahren verlassen. Sie würde den Tod ihres Mannes nie verkraften und konnte die Bilder nicht vergessen, wie sein Lebensblut in der durstigen Erde des Landes versickerte, in dem er aufgewachsen war. Der Büffel, der ihn aufgespießt hatte, war von seinem Träger erschossen worden, während ein reicher Safarigast aus der Schweiz starr vor Schreck daneben stand. Der Mann hatte vor Todesangst geweint und es nicht einmal geschafft, die Waffe zu heben. Allerdings hatte dies Herrn Villespan nicht daran gehindert, das Tier zu einem Ausstopfer nach Nairobi und anschließend in sein Heimatland zu schicken. Dort zierte sein Kopf nun eine Wand in seiner Villa am See, wo der Schweizer seine Gäste mit Anekdoten über seine Tapferkeit und seinen Opfermut unterhielt. Anthony Chapman hatte sich von dieser Tragödie nicht davon abbringen lassen, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, denn er war von einer Abenteuerlust und einer Liebe zum Busch beseelt, die Camilla immer noch fremd war.
Als er am Vorabend in Langani angekommen war, hatte er sie ebenso mit einem Kuss auf die Wange begrüßt wie ihre Freundinnen. Auch während des Abendessens war kein Wort über ihre gemeinsame Zeit in London gefallen. Kurz darauf waren alle zu Bett gegangen, weil man am nächsten Tag früh aufstehen wollte. Doch als Anthony nach draußen auf die Veranda ging, hatte er ihr kurz die Hand auf den Rücken gelegt und ihr »morgen« ins Ohr geflüstert.
Stundenlang hatte Camilla wach gelegen und darüber nachgegrübelt, was er wohl für sie empfand – falls er überhaupt Gefühle für sie hegte. Sie konnte sich kaum noch an die Zeit erinnern, als sie ihn kaum wahrgenommen und seine scherzhaften Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Es war ihr ein Rätsel, wie sich ihre Gefühle für ihn so schlagartig und unerwartet hatten ändern können. Als sie an der Küste nichts von ihm gehört hatte, fragte sie sich, ob sie ihrer leidenschaftlichen Begegnung in London nicht zu viel Bedeutung beimaß. Aber dann dachte sie daran, wie er sie in den Armen gehalten und zärtlich geliebt hatte, und sie konnte nicht glauben, dass es für ihn nur eine flüchtige Affäre gewesen war. Obwohl sie sich verzweifelt nach Gewissheit sehnte, fürchtete sie sich andererseits vor der Wahrheit. Doch bald würden sie das Lager erreichen, und dann würde sie endlich wissen, woran sie war. Vielleicht früher, als ihr gefiel.
Sie fuhren weiter, bis ihnen eine Baumreihe anzeigte, dass sie sich einer Flussbiegung näherten. Anthony stoppte kurz, schaltete auf Allradantrieb um und lenkte den Wagen dann in das reißende Wasser, wo er bremste, um sie auf einige erschreckend riesenhafte Krokodile hinzuweisen. Ihre schuppigen Köpfe und glitzernden Augen waren dicht über der Wasseroberfläche gerade noch zu sehen. Camilla betrachtete die Tiere mit einem angewiderten Schauder, während Anthony Gas gab, über das felsige Flussbett schlitterte und auf der anderen Seite langsam das steile Ufer hinauffuhr. Er bog nach links in einen Weg ein, der so schmal war, dass wuchernde Pflanzen den Wagen streiften und Dornen quietschend an der Karosserie kratzten.
Das Lager hatte er auf einer Lichtung über dem Fluss aufgeschlagen. Die Schlafzelte standen in Reih und Glied im Schatten der Akazien, und das Personal erwartete sie schon, um sie mit strahlenden Gesichtern zu begrüßen. Camilla stieg aus dem Landrover und streckte die steifen Glieder, während Sarah bereits ihre Kameraausrüstung vom Rücksitz zerrte. Kurz darauf trafen Piet und Hannah ein. Anthony stellte ihnen das Personal vor.
»Das hier ist Francis, unser Koch. Samson und Daniel werden euch Getränke und Mahlzeiten servieren, William kümmert sich um eure Zelte und die Wäsche. Ebenso wichtig sind Musioka und Joseph, die die Fahrzeuge warten und das Holz zum Kochen, für heißes Wasser und für das Lagerfeuer sammeln. Jetzt zu den Zelten. Sarah, ich habe dich mit Hannah zusammen einquartiert. Piet schläft nebenan, und Camilla hat ihr eigenes Zelt dort in der Mitte.
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