Himmel uber Langani
der ihr mitteilte, Piet und Hannah seien unterwegs, und er könne gern etwas ausrichten. Sarah erwiderte enttäuscht, sie werde sich wieder melden. Auf dem Weg zum Wagen hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Die Stimme war unverwechselbar.
»Die irische Wissenschaftlerin! Was machen Sie denn hier so allein? Sind Sie heute vom Frondienst befreit? Durften Sie von Ihrem Wachturm heruntersteigen?« Als sie sich umdrehte, blickte sie in die wissenden Augen von Viktor Szustak. »Sie müssen mit mir zu Mittag essen und mir alles über Ihre Forschungsergebnisse verraten.«
»Viktor!« Sie musterte ihn argwöhnisch und ein wenig verärgert. »Mein Turm ist eigentlich eine kleine Hütte mit Grasdach, die ich mit einer Horde Geckos und einer lärmenden Bande Buschschliefer teile. Danke für die Einladung, aber ich muss sofort zurück.«
»Gut, ich wollte sowieso hinfahren.«
»Und was führt Sie nach Samburu?«, erkundigte sie sich.
»Ich wollte Sie sehen. Nur Sie allein. Ich habe ein Zimmer hier.« Er wies hinter sich. »Kommen Sie mit mir ins Bett. Wir verbringen einen leidenschaftlichen Nachmittag und fahren anschließend zum Lager.«
»Wie vielen Frauen haben Sie heute schon dieses Angebot gemacht?«, fragte sie spöttisch. Sie war sicher, dass er nur Spaß machte, doch sie empfand seine Annäherungsversuche als äußerst unpassend. Immerhin war sie Hannahs Freundin – und eigentlich hätte er überhaupt die Finger von anderen Frauen lassen sollen.
»Keine hier ist so verführerisch wie Sie«, erwiderte er. Als sie ihre Wagentür öffnete, schlossen sich seine Finger um ihre Hand und streichelten ihre Handfläche. »Aber ich kann warten. Ich werde Ihnen zum Camp folgen. Für Dan habe ich eine Flasche Jack Daniels dabei, die ihm sicher willkommen ist, weil er so etwas hier nicht kriegt.«
In Kolonne fuhren sie von der Samburu-Lodge zum Camp, wo sich alle über Viktors Besuch zu freuen schienen. Offenbar war er bei den afrikanischen Mitarbeitern ebenso beliebt wie bei seinen Gastgebern. Das Abendessen verlief in ausgelassener Stimmung, nachdem Viktor die Flasche Jack Daniels geöffnet hatte. Sarah lehnte ab, da sie es für sicherer hielt, beim Wein zu bleiben. Bis spät in die Nacht saßen sie plaudernd und lachend beisammen. Es war bereits zwölf Uhr, als Sarah aufstand, um zu Bett zu gehen.
»Ich begleite Sie zu Ihrem Quartier und beschütze Sie vor wilden Tieren«, verkündete Viktor und sprang auf. Man merkte ihm überhaupt nicht an, wie viel er getrunken hatte. Bei ihrer Hütte angekommen, nahm er ihr die Laterne aus der Hand und stellte sie drinnen auf den Tisch. Dann zog er sie zurück zur Tür.
»Spitzen Sie die Ohren«, sagte er. »Hören Sie, wie die Nacht zu Ihnen spricht? Sie müssen lernen, die Stimme der Dunkelheit zu verstehen, um das Geheimnis ihrer Schönheit zu begreifen.«
Aufmerksam lauschend stand Sarah neben ihm, als er ihr die Geräusche des Busches erläuterte, die ihr bislang gar nicht aufgefallen waren. Er kannte sich ausgesprochen gut damit aus. Doch im nächsten Moment drehte er sich zu ihr um, sodass ihr der Geruch von Zigarrenrauch und Alkohol ins Gesicht schlug. Als ihr klar wurde, dass er versuchen würde, sie zu küssen, stieg eiskalte Wut in ihr hoch. Es war eine Unverschämtheit, dass dieser zwielichtige Mensch sich ihr an den Hals warf. Piet hatte gesagt, er sei ein Frauenheld und ein Trinker. Offenbar wussten das alle bis auf Hannah.
»Gute Nacht, Viktor«, verkündete sie und schob ihn weg. »Ich muss jetzt schlafen.«
»Das werden Sie auch«, erwiderte er. »Und Sie werden von mir träumen und von dem, was wir einander geben können.«
»Sie reden Unsinn«, widersprach sie. »Aber ich nehme es Ihnen nicht übel, denn schließlich haben Sie ziemlich viel getrunken. Machen Sie auf der Fahrt nach Nairobi noch einen Abstecher zur Farm, um meine Freundin Hannah zu besuchen?«
Er lachte auf. »Die Kriegerkönigin«, meinte er. »Leider werde ich sie in nächster Zeit nicht wiedersehen, denn meine Arbeit auf Langani ist abgeschlossen, und ich habe eine neue Baustelle in Tansania. Nächste Woche fahre ich hin. Ich baue dort ein Hotel und werde eine Weile damit verbringen.«
»Weiß Hannah das?« Sarah hatte Mühe, ihre Wut zu zügeln.
»Frauen wissen alles«, entgegnete er. »Sie sind der Quell der Weisheit. Kommen Sie jetzt, die Nacht ist noch jung, und wir haben so viel zu entdecken.«
»Ich habe für heute Nacht genug entdeckt. Danke, Viktor, Sie sollten jetzt besser
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