Himmel uber Langani
vor, und Betty hielt den Atem an. Sie legte die Hand auf den Arm des Ghanaers und umfasste dabei eine schwere goldene Uhr.
»Tatsächlich habe ich noch nie in einem Dorf gewohnt«, erwiderte er belustigt. »Ich bin in der Stadt Accra geboren und habe meine frühe Kindheit dort verbracht. Das ist also meine Stadtkleidung. Aber Sie haben schon Recht, dieses Gewand ist für besondere Gelegenheiten.«
»Heiß, staubig und überfüllt, soweit ich weiß. Aber sicher haben Sie mehr aus Ihrem Leben zu erzählen, als davon, wie Sie in den Straßen Accras herumgelaufen sind.« Marina sah ihn unverwandt an, zog die Mundwinkel nach oben und flirtete unverhohlen mit ihm.
»Natürlich. Ich wurde auf ein Internat in England geschickt. Danach habe ich in London Medizin studiert.«
»Wie wunderbar! Sie müssen auch alles von diesem Hut erzählen. Die Stickerei ist wirklich aufwändig. So etwas kann man hier an der Ostküste nicht finden. Oder zu Hause. Kommen Sie und setzen Sie sich neben mich auf das Sofa, Dr. Hayford.« Marina nahm seinen Arm. »Ich will alles über Ihr Leben erfahren. Natürlich nicht über blutrünstige medizinische Praktiken, sondern über Ihr wirkliches Leben. Haben Sie eine Frau? Vielleicht sogar mehrere, die Ihnen Sorgen bereiten und sich um ihre Stellung streiten? Und Dutzende Kinder, wie ich mir vorstellen könnte?«
»O Gott!« Camilla wandte sich ab. »Wahrscheinlich hat sie schon ein paar Drinks intus«, flüsterte sie Sarah zu.
Als Betty in die Küche trat, fand sie ihr Personal mit ernsten Mienen und gesenktem Blick vor.
»Ist etwas passiert? Wo ist das Tablett mit den …?«
» Memsahib, wir können das Essen nicht servieren.« Moti trat von einem Fuß auf den anderen und fühlte sich sichtlich unwohl.
Bettys Herz schlug schneller. »Was ist mit dem Essen los?«
» Memsahib , das Essen ist in Ordnung.« Der Koch kratzte sich an seinem ergrauten Kopf. »Aber wir können diesen schwarzen Mann nicht bedienen. Das ist nicht richtig.«
»Was für ein shauri [23] ist das?« Betty spürte, wie Panik in ihr aufstieg. »Dieser Mann kommt aus einem anderen Teil Afrikas, von weit her. Er ist ein wichtiger Boss, ein Arzt wie Bwana [24] Mackay.«
»Er ist ein Schwarzer, Memsahib . Unsere Freunde und Familien werden uns auslachen, wenn wir ihn bedienen.«
»Das ist doch lächerlich! Dr. Hayford ist unser Gast, genau wie alle anderen Gäste hier.« Betty funkelte den alten Koch an, der ihr seit fünfzehn Jahren gute Dienste leistete. Doch er vermied es, ihr in die Augen zu sehen. »Also gut, Johannes. Ist das Fleisch im Ofen? In Ordnung. Wir werden uns morgen früh darüber unterhalten. Ihr könnt jetzt alle in eure Unterkünfte gehen. Memsahib Sarah und ich werden uns um das Abendessen kümmern.«
Betty drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Küche. Hinter sich hörte sie unbehagliches Gemurmel, und dann wurde die Hintertür geschlossen.
»Gütiger Himmel«, flüsterte Betty. »Ich hatte eine Vorahnung, dass sich dieser Abend zu einem Albtraum entwickeln würde. Sarah, einen Moment, bitte!«
»Was ist los?«
»Das Personal will Dr. Hayford nicht bedienen, also habe ich sie alle in ihre Quartiere geschickt. Steh nicht da und starr mich mit offenem Mund an! Wir müssen das Dinner selbst servieren. Kannst du Tim und Camilla bitten, uns zu helfen? Fangt mit den Canapés an – sie sind schon längst überfällig. Sobald dein Vater die van der Beers vorgestellt hat, werde ich in der Küche verschwinden. Gott sei Dank ist alles schon fast fertig.«
Raphael führte die afrikaanse Familie bereits ins Wohnzimmer. Jan van der Beer versuchte seine Überraschung beim Anblick von Dr. Hayford zu verbergen, aber Lottie nahm die Sache in die Hand, plauderte unbefangen und erzählte von der kleinen Klinik für ihr Personal. Hannah stand neben ihrer Mutter, befangen in ihrem Abendkleid und verwundert über den ungewöhnlichen Gast. Ihr blondes Haar war ordentlich zu einer Hochfrisur aufgesteckt. Lottie hatte ihr eine Saatperlenkette geliehen, und sie trug den goldenen Armreif, den sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Erleichtert bemerkte sie, dass Sarah sie zu sich winkte.
»Eine Krise in der Küche. Nimm dieses Tablett und biete die Vorspeisen an. Camilla, du zündest alle Kerzen an, während ich Ma helfe, die Suppe aufzutragen. Tim kann dann alle an ihre Plätze führen, wenn wir fertig sind.«
»Meine Liebe, Sie haben sicher den ganzen Tag in der Küche verbracht.« Marina schenkte allen am
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