Himmel uber Langani
wie das pummelige Mädchen verschwunden war. Er hatte zu wenig Zeit mit ihr verbracht, um mitzuerleben, wie sie zu dieser jungen Frau mit den feinen Gesichtszügen, den weiblichen Formen und den funkelnden Augen herangewachsen war.
Liebevoll sah er sie an, als er ihr ein Glas Sherry reichte. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
Camilla hatte sich um Sarah gekümmert, ihr widerspenstiges Haar in sanfte, aus dem Gesicht gekämmte Wellen verwandelt und ihre Wangen und Augenlider geschminkt. Ihr im Nacken gebundenes Kleid war blassgrün und schwang um ihre Beine, wenn sie sich bewegte.
»Hier, nimm diese Ohrringe – ich trage heute Abend keinen Schmuck.« Camilla hatte an ihr herumgezupft, bis sie zufrieden war. »Perfekt. Warte nur, bis Piet auftaucht – wir werden ihn an einem Stuhl festbinden müssen.«
Im Spiegel konnte Sarah sehen, wie eine Ader an ihrer Kehle zu pulsieren begann. Sie hatte sich wie verwandelt gefühlt, bis ihr Gesicht und ihr Hals sich vor Aufregung röteten, Flecken auf ihrer Haut erschienen und alle Aschenputtel-Illusionen zerstörten.
»Wo ist Camilla?«, fragte Raphael seine Tochter.
»Sie hat mir geholfen, mich zuerst zurechtzumachen. Daher kommt sie ein paar Minuten später.«
»Jesus!« Bei Tims Ausruf wandten sich alle um.
Camilla erschien in einem trägerlosen schwarzen Kleid, das in der Taille von einem breiten Gürtel und einem Blütenzweig gerafft wurde und so eng anlag, dass es die Form ihrer Beine betonte. Hinter einem mit Perlen geschmückten Ohr steckten weitere Blüten. Sarah sah, wie sich im Gesicht ihres Bruders scheue Furcht und unverhohlene Bewunderung malten. Von Tim konnte sie an diesem Abend keinen Beistand erwarten. Er würde schon mit sich selbst genug Schwierigkeiten haben. Als sie das Geräusch des ersten Wagens auf dem Kies hörten, schenkte sie ihm ein Verschwörerlächeln.
»Jetzt geht’s los.« Betty griff nach ihrer Halskette und drückte kurz die Hand ihres Manns, bevor dieser zur Haustür ging.
»Betty, Liebes, das ist Dr. Winston Hayford aus Ghana.« Raphael führte seinen Gast ins Wohnzimmer. »Er hat wegen eines Forschungsauftrags das letzte Jahr in London verbracht und ist nun zu unserer Konferenz hierher gekommen.«
»Dr. Hayford, ich freue mich sehr, dass Sie kommen konnten«, sagte Betty.
»Und ich freue mich zu sehen, dass Raphael sich von seiner Malaria erholt hat«, erwiderte er.
Sarah war fasziniert von dem Anblick des großen schwarzen Manns. Sein weites Gewand war mit einem geometrischen Muster in Hellgelb, Grün, Braun und Scharlachrot bedruckt, und auf seinem großen Kopf saß eine bestickte Kappe. Die Hornbrille auf seiner breiten Nase wirkte gewöhnlich und deplatziert. Er sprach perfekt englisch mit einem Akzent, den er wohl entweder einer teuren Ausbildung in Übersee oder dem stundenlangen Hören des BBC World Service verdankte. Noch nie zuvor hatte Sarah einen so imposanten und attraktiven Afrikaner gesehen. Als sie ihm die Hand schüttelte, sah sie, wie Moti mit dem ersten Vorspeisentablett aus der Küche kam. Mit offenem Mund blieb er stehen und starrte den großen Ghanaer an. Dann drehte er sich um und steuerte mit ungewohnter Geschwindigkeit die Tür an, durch die er gekommen war. Raphael schenkte seinem Gast einen Whisky mit Soda ein und verließ die Gruppe, als der zweite Wagen vorfuhr. Betty sah sich nach dem Tablett mit den Appetithäppchen um, doch von dem Hausboy war keine Spur zu sehen. Sie seufzte und rief nach Moti, bevor sie den Broughton-Smiths zur Begrüßung entgegenging.
»George hat Ihnen wahrscheinlich erzählt, dass wir uns bereits begegnet sind.« Raphael führte Marina zum Wohnzimmer. »Und wir haben uns sehr darauf gefreut, Sie kennen zu lernen. Unsere Töchter haben aus uns ja bereits eine Art Großfamilie gemacht. Wie schön, dass Sie kommen konnten.«
Camilla stellte ihr Glas ab und durchquerte den Raum, um ihren Vater zu umarmen und ihrer Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu drücken. Betty atmete erleichtert auf. Raphael übernahm die restliche Vorstellung und mischte dann die Getränke.
»Guten Abend.« Marinas Stimme klang fröhlich, als sie mit einem strahlenden Lächeln den hoch gewachsenen Afrikaner begrüßte. In einer Hand hielt sie ihr Glas, und mit der anderen strich sie den Chiffonschal über ihren Schultern glatt, bevor sie Dr. Hayfords ausgestreckte Hand ergriff. »Ein prächtiges Gewand. Trägt man das zu bestimmten Ritualen in Ihrem Dorf?«
George Broughton-Smith trat eilig
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