Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
strich, die seine verbrannte Haut angenehm kühlte.
    »Mohan«, hörte er von weitem eine sanfte Stimme flüstern, und als er aufsah, stand vor ihm Winston, der den einen Arm um Sitara gelegt hatte, die andere Hand auf Ians Schulter ließ, und Emily sprang Mohan entgegen, mit einem fröhlichen, silberhellen Lachen. Ein erleichtertes Aufseufzen entfuhr ihm, und er schleppte sich vorwärts, seiner Familie entgegen, doch dann brach vor ihm der Boden ein, und er fiel, fiel tief hinab, konnte nichts mehr erkennen. Er riss die Augen auf, doch er sah alles verschwommen, hob die Hand, die so schwer war und sich wattig anfühlte, um sich die Augen zu reiben, die tränten und brannten, doch jemand hielt ihn am Handgelenk fest.
    »Nicht«, sagte eine männliche Stimme in rajputanisch gefärbtem Hindustani streng, »sonst wirkt die Salbe nicht!«
    Mohan spannte seine Stimmbänder an, doch sie gaben keinen Laut von sich. Er räusperte sich, und der Schmerz, der durch seine Kehle schoss, ließ ihn zusammenzucken. Er versuchte es noch einmal, und noch einmal, und endlich krächzte er: »Der Junge?«
    »Wird durchkommen. Die Götter waren Euch mehr als gnädig.«
    Mohan wollte sich erheben, wollte zu Ian, doch eine Hand drückte ihn unsanft zurück in die Kissen.
    »Liegen bleiben. Ihr seid noch nicht über den Berg.«
    »Der Raja – dem Jungen – nichts tun – sein Enkel«, stieß Mohan hastig hervor, und jedes Wort schien seinen Hals wie ein scharfkantiger Stein von innen her aufzuritzen.
    »Beruhigt Euch, Hoheit«, sagte die Stimme, halb besänftigend, halb befehlend, »Ihr seid in Sicherheit – beide.«
    Mohan konnte noch nicken, dann versank er wieder in der Schwärze der Bewusstlosigkeit, dem Reich der Schatten, in dem er Krishna begegnete, hitzig eine Antwort darauf forderte, weshalb Sitara und Emily sterben mussten, doch dieser sah ihn nur an und wandte sich ab, ging einfach fort und drehte sich kein einziges Mal um, während Mohan, unfähig, sich von der Stelle zu rühren, als sei er angewachsen, ihm hinterherschrie, weinte, flehte, fluchte. Doch die Götter blieben stumm, Krishna ebenso wie Vishnu und Shiva. Noch einmal musste Mohan Tajid durch die Wüste, und die Sonne brannte so heiß, dass die Weißdornsträucher auf den Felsen in hellen Flammen standen. Ein lautes Rauschen ließ ihn aufsehen, und eine Adlerschwinge streifte ihn, ließ ihn zu Boden stürzen, ehe er sich auf dem Rücken des Vogels wiederfand, Ian schlafend neben ihm. Der Adler schwang sich vom Boden auf, stieg in die Luft, in schwindelerregende Höhen, und der Wind, der über sie hinwegstrich, trocknete Mohans Tränen, schloss seine Lider mit sanfter Hand, und Mohan schlief ein.
    Er blinzelte. Ein Geräusch drang aus der Ferne zu ihm, das er nicht einzuordnen vermochte, gleichmäßig, rauschend, dann verzog sich sein Gesicht unwillkürlich zu einem Lächeln. Es regnete … Ruckartig hob er den Kopf, ließ ihn aber sogleich wieder mit einem Aufstöhnen zurückfallen, als ein heftiger Schmerz hindurchschoss. Der Monsun … Es mussten viele Wochen vergangen sein, seit sie Delhi an jenem grauenvollen Tag verlassen hatten. Er drehte den Kopf zur Seite, versuchte etwas zu erkennen, doch alles verschwamm vor seinen Augen. Wieder blinzelte er, und allmählich schärfte sich sein Blick, traten aus blassen Schemen die Konturen eines Tischchens hervor, das voll gestellt war mit Fläschchen und kleinen irdenen Schalen. Die Gestalt eines alten Mannes mit weißem Bart erschien in seinem Gesichtsfeld, verschwamm und verschwand wieder, erschien erneut, schob mit seinem Daumen und Zeigefinger Mohans Ober- und Unterlid auseinander, betrachtete prüfend nacheinander die beiden Augäpfel seines Patienten, umfasste dann dessen Handgelenk und schien dem Pulsschlag unter seinen Fingern zu
lauschen.
    »Amjad Das«, brachte Mohan mühselig hervor, ebenso verblüfft, dass ihm der Name nach all den Jahren wieder eingefallen war, wie darüber, dass ihm das Sprechen kaum mehr Schmerzen verursachte. Die zerknitterte Haut um die Augen des alten Arztes faltete sich enger zusammen, als er lächelte.
    »Derselbe, Euer Hoheit. Ich schließe daraus, dass auch Euer Gedächtnis alles gut überstanden hat.«
    »Der Junge – «
    »Schläft, Vishnu sei Dank. Er wird unschöne Narben zurückbehalten, aber wieder ganz gesund werden.«
    Der Arzt zögerte einen Augenblick, als wollte er noch etwas hinzufügen, schwieg dann aber und machte sich mit ernster Miene an dem Tisch mit der Medizin zu

Weitere Kostenlose Bücher