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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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wenige Fuß Entfernung an den müden Gaul heran.
    Anfangs hatte Mohan noch mit Vishnu gehadert, zornig mit Krishna Zwiesprache gehalten, Antwort und Führung verlangt, doch als die Götter sich in Schweigen hüllten, ihr Antlitz endgültig von ihnen abgewendet zu haben schienen, verstummte er, ritt taub und blind weiter, Geist und Seele leer, ausgehöhlt und vertrocknet, kein Raum für Schmerz, keinen für Trauer.
    Und während sie sich so vorwärts schleppten, entkamen Lieutenant Willoughby und seine Männer, die alle wie durch ein Wunder die Sprengung ihres Magazins überlebt hatten, aus der Stadt, und mit ihnen andere Offiziere und Zivilisten, deren Frauen und Kinder, im Wagen, zu Pferd, zu Fuß; aus einer Stadt, in der diejenigen, denen die Flucht nicht geglückt war, sich mit den Aufständischen ein makabres Versteckspiel lieferten, in dem niemand sicher wissen konnte, wer von den Dienstboten, denen man so lange vertraut hatte, Freund oder Feind war, einen im Wäscheschrank oder dem Stall versteckte – und wer in einem Ausbruch lang unterdrückter Hassgefühle zum Küchenmesser greifen würde. Viele entkamen dem Mob um Haaresbreite, doch fünfzig Briten, zum Christentum konvertierte Inder und Eurasier wurden in der Stadt zusammengetrieben, im Roten Fort eingekerkert und in einem Innenhof des Palastes vor den Augen Bahadur Shahs und seiner Familie abgeschlachtet.
    In Simla, einhundertsechzig Meilen nördlich von Delhi, inmitten scharlachrot blühender Rhododendren, erreichte am zwölften Mai ein Telegramm den Ehrenwerten General George Anson während einer Abendgesellschaft. Ungehalten ob dieser Störung seiner Sommerfrische schob er den dünnen blauen Umschlag achtlos unter seinen Teller und widmete sich weiter der leichten Konversation mit seinen Gästen, dem mehrgängigen Menü auf Silber und Kristall, den vorzüglichen Weinen. Erst nachdem sich die Ladys zurückgezogen hatten, Portwein die Runde machte und der Qualm von Zigarren an die Decke stieg, öffnete er mit einer scherzhaften Bemerkung das Telegramm und erbleichte.
    Die Verteidigung Indiens war auf Angriffe von jenseits seiner Grenzen ausgerichtet. Munition und Artilleriedepots befanden sich im Nordwesten, Hunderte von Meilen entfernt: Im Punjab, dem »Land der fünf Flüsse«, sicherten zehntausend britische Soldaten seit acht Jahren die achthundert Meilen lange Grenze, die sie von den kriegerischen Afghanen trennte. Seit dem Ende des Sikh-Krieges 1846 war es den Kommandanten der Armee aus Kostengründen verboten, einen Fuhrpark aufrechtzuerhalten. Für den Transport von Truppen, Munition, Proviant mussten erst Ochsen als Zugtiere für die Wagen, Elefanten für die Kanonen, Kamele für das Gepäck requiriert, ebenso wie einheimische Pferdeknechte und Wasserträger angeworben werden.
    Als General Anson zwei Tage später Richtung Delhi aufbrach, war klar, dass es weitere sechzehn bis zwanzig Tage dauern würde, ehe sich eine komplette Streitkraft um die Mauern der besetzten Stadt zusammenziehen konnte. Es gab kein Verbandsmaterial und keine Medizin, keine Wagen, keine Tragen für Verwundete, keine Munition; die Zelte waren nicht bereit, und jede größere Stadt im Umkreis mehrerer Hundert Meilen war bar englischer Truppen. Und die einzigen Kanonen, die ihnen zum Sturm auf die Stadtmauern, die an manchen Stellen zwölf Fuß dick waren, zur Verfügung standen, waren Sechs- oder Neunpfünder, deren Geschosse allenfalls eine vier Fuß dicke Lehmmauer durchschlagen konnten, während die Rebellen Delhi hatten, und damit das größte Arsenal Indiens, mit Hunderten schwerer Geschütze, Zehntausenden vollständiger Soldatenausrüstungen, Millionen von Patronen – und wer das Tal des Ganges hielt, hielt Indien, wie es hieß. Wie Anson die Anweisung von Generalgouverneur Lord Canning im tausend Meilen entfernten Kalkutta befolgen sollte, das zweihundertsechsundsechzig Meilen südöstlich gelegene Kanpur zu sichern und gleichzeitig mit nur zweitausendneunhundert Mann Delhi zu stürmen, das wusste er selbst nicht.
    So langsam die Militärbürokratie der Briten sich in Bewegung setzte, so schnell verbreitete sich die Kunde der Rebellion von Mund zu Mund. Während der Ball zu Ehren des Geburtstags Ihrer Majestät Königin Victoria am 25. Mai wie üblich stattfand und Lady Canning weiterhin ihre abendlichen Ausfahrten durch die Stadt machte, flohen ganze Familien in voll gepackten Dampfschiffen durch den schlammigen Flusslauf des Hooghly aus Kalkutta, wachten bis an

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