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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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schaffen.
    Mohan rappelte sich auf und schob das dünne Laken beiseite.
    »Halt«, fuhr ihn Amjad Das an, fast böse. »Ihr könnt noch nicht aufstehen!«
    Fast war Mohan Tajid versucht, ihm ganz einfach Recht zu geben. Jeder Zoll seines Körpers schmerzte, und seine Knochen, Muskeln und Sehnen schienen weich wie gekochter Kohl.
    »Ich muss«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, hievte sich in eine sitzende Position und zerrte eines seiner Beine über die Bettkante.
    Wütend knallte der Arzt eines der Schälchen auf die Tischplatte.
    »Bei allem Respekt, Euer Hohheit – Ihr Chands seid alle aus dem gleichen Holz geschnitzt!«
    Mohan quittierte diese Bemerkung mit einem müden Grinsen.
    »Nach all den Jahren im Dienste der Familie hätten Sie auch nichts anderes erwarten können.«
    »In der Tat«, schnaubte Amjad Das. »Nun bleiben Sie schon, wo Sie sind! Ich schicke Ihnen jemanden, der sich um Sie kümmern wird …«
    Stunden schien es zu dauern, ehe Mohan gebadet, rasiert und angekleidet war, und immer wieder tanzten Fünkchen vor seinen Augen, schienen seine Beine unter ihm nachgeben zu wollen. Doch als er sich anschickte, das Zimmer zu verlassen, lehnte er jede weitere Hilfe ab. Einen Arm noch bandagiert, tastete er sich vorsichtig an den Wänden entlang. Es war ein seltsames Gefühl, durch den Korridor zu humpeln, in dem er aufgewachsen war und den er so lange nicht mehr gesehen hatte, zutiefst vertraut und gleichzeitig erschreckend
fremd.
    Leise öffnete er die Tür und schob sich in den kühlen Halbdämmer des Raumes. Vor dem Fenster rauschte der Monsunregen nieder, in der Ferne grollte Donner. Ein Luftzug bauschte die leichten Vorhänge, vermischte die von Kräutern und Salben würzige Luft des Zimmers mit dem frischen Duft reingewaschener Erde. Ian schlief tief und fest, einen ruhigen, fieberfreien Schlaf, den Kopf, das halbe Gesicht und den Arm bis über die Schulter verbunden. Dann erst bemerkte Mohan den Mann, der auf einem Stuhl neben dem Bett saß und den Jungen betrachtete, und er brauchte ein paar Herzschläge, um seinen Vater, den Raja, zu erkennen.
    Er war alt geworden, das Haar unter dem reich geschmückten Turban und der Bart weiß wie seine bestickte Jacke, auf eine merkwürdige Art gleichzeitig füllig und zusammengeschrumpft. Mohan glaubte, er habe ihn nicht bemerkt, und wollte sich wieder aus dem Zimmer schleichen, als der Raja leise sagte:
    »Er sieht aus wie sie.«
    Tränen schossen in Mohan Tajids Augen. Wie ein Faustschlag traf ihn der Schmerz um Sitara, den Krishnas gütige Hand so lange vor ihm fern gehalten hatte. Er wollte antworten, doch Trauer und Zorn verschlossen ihm die Kehle. Der alte Chand hob den Kopf, und zum ersten Mal nach all den Jahren sahen sie sich wieder in die Augen, Vater und Sohn.
    »Erzähl mir, was geschehen ist.«
    Schweigend gingen sie nebeneinander her, Mohan schleichend, taumelnd, aber mit jedem Schritt, den er tat, neue Kraft gewinnend, des Rajas schwere Schritte untermalt vom rhythmischen tock-tock seines Stockes mit dem ziselierten Silberknauf auf den glatten Steinfliesen. Sie ließen sich in einem der prächtig ausgestatteten Räume nieder, in Sesseln nach westlicher Mode, und als die Dienerinnen, die ihnen Erfrischungen servierten und Lampen entzündeten, um das Dämmerlicht des regnerischen Spätnachmittags zu erhellen, sich zurückgezogen hatten, begann Mohan Tajid zu erzählen, nüchtern und sachlich. Stumm und regungslos hörte der Raja ihm zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, ohne ihn dabei anzusehen.
    Als er geendet hatte, befeuchtete Mohan seine trockene Kehle mit einem Glas chai , und noch immer schwieg der Raja, betrachtete einen Punkt irgendwo im Dreieck zwischen Teppich, Stockspitze und seinen bestickten Pantoffeln. Endlich räusperte er sich und ergriff das Wort.
    »Die Rani hat es mir nie verziehen, dass ich euch all die Jahre hinterherjagen ließ. Sie hat es nie ausgesprochen – dazu war sie mir eine zu gehorsame Ehefrau. Aber sie hat es mich spüren lassen, jeden einzelnen Tag, bis auf ihr Totenbett.«
    Dumpf starrte Mohan Tajid vor sich hin. Kamala, seine Mutter, lebte also auch nicht mehr … Es erschreckte ihn, dass es ihn so wenig berührte, als hätte er alle Trauer, allen Schmerz, deren er fähig war, aufgebraucht. Es entstand eine lange Pause, in der der Raja unruhig mit seinem Stock die Muster und Schnörkel des Teppichs nachzeichnete.
    »Ich habe immer nach dem gelebt und gehandelt«, sagte der alte

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