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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Straßen.
    Charlotte stand bei den offenen Türen und genoss das Schauspiel dieses ersten, mächtigen Regengusses. Tief atmete sie den feuchten Dunst ein, in dem sich Himmel und Erde, Meer und Wolken miteinander vereinigten. Schammi war hinaus auf die Straße gelaufen, wo er gemeinsam mit einigen der schwarzen Kinder in den gelben Bächen herumsprang, den Regen in seinen weit geöffneten Mund rinnen ließ und sich wenig darum scherte, dass Hemd und Hose klatschnass wurden. Lächelnd sah Charlotte ihm dabei zu und bedauerte ein wenig, dass sie selbst keinen solchen Regentanz aufführen durfte, hätte sie doch große Lust dazu gehabt.
    Der Mann, der dicht an den Häusern entlang durch den Regen lief, war ihr gar nicht aufgefallen. Als er in ihrem Laden vor den herabstürzenden Regenmassen Schutz suchte, erblickte sie zunächst nur eine vermummte, triefende Gestalt.
    » Salam aleikum«, sagte er. » Oder besser: Jambo.«
    Charlotte durchfuhr heißes Erschrecken. Nein, das konnte nicht sein. Und doch war es seine Stimme, seine Art zu sprechen, die sie über all die Jahre hinweg nicht vergessen hatte.
    Er nahm die lange, weiße Jacke herunter, die er als Regenschutz über den Kopf gezogen hatte, und strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Sein Gesicht war schmaler geworden, unter den Augen und in den Mundwinkeln zeigten sich kleine Kerben in der gebräunten Haut. Die grauen Augen hatten nichts von der Rastlosigkeit, die sie auf der Photographie zu sehen geglaubt hatte, sie waren ruhig und mit großer Intensität auf Charlotte gerichtet.
    » George? Bist du das wirklich?«, stammelte sie.
    » Habe ich mich so verändert?«
    Er wischte sich mit der Hand über das nasse Gesicht und sah dann an sich herunter. Obergewand und Hose klebten ihm am Körper und waren an einigen Stellen mit gelbem Straßenschlamm bespritzt. Er kam ihr ungeheuer dünn vor, noch dünner als früher; vielleicht lag es daran, dass er jetzt sehr viel ernster, aber auch männlicher wirkte.
    » Du bist… reifer geworden…«
    Sie suchte nach Worten. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, wie ein Geist aus den herabstürzenden Wassern, den aufsteigenden Dünsten entstiegen, ein Teil all jener unsinnigen Träumereien, denen sie sich einst hingegeben hatte und die sie längst überwunden zu haben glaubte.
    » Reifer«, wiederholte er und lächelte. » Oh, vielen Dank. Du hingegen bist eine Schönheit geworden, Charlotte.«
    Sein Lächeln war anders als früher. Er hatte damit bezaubern können, herausfordern, mitreißen, verführen, und manchmal hatte es ihn auch wie einen verträumten Jungen aussehen lassen. Jetzt schien ihr eine ungewohnte Bitterkeit darin zu liegen, und das Kompliment, das er ihr gemacht hatte, gefiel ihr nicht.
    » Nun, ich bin nicht mehr die schüchterne Kleine, die du am Plytenberg in lange Gespräche verwickelt hast und die später für euch zum Tanz aufgespielt hat…«
    » Weiß Gott nicht!«
    Er wandte den Blick von ihr ab und sah sich in ihrem Laden um. Nickte grinsend dem tropfnassen, verdreckten Schammi zu, der neugierig hereingelaufen war und sich in eine Ecke auf den Boden hockte. Regenwasser rann von dem vorspringenden Flachdach herunter und bildete einen rauschenden Vorhang, der die Sicht auf die Straße erschwerte. Oben in den Wolken explodierte der Donner.
    » Ihr führt also einen Laden. Richtig, dein Mann ist ja Händler von Beruf…«
    Sie hatte Zeit gehabt, sich zu fassen und ihre Gedanken zu ordnen. Was auch immer George hierhergeführt hatte, es war ein verwandtschaftlicher Besuch, es war angebracht, ihn heraufzubitten, ihm Kaffee zu kochen und ihn zu bewirten. Sie würde Klara wecken, und sie würden familiäre Neuigkeiten austauschen…
    » Das ist mein eigener Laden. Ich führe ihn seit einem halben Jahr, und die Geschäfte gehen gut. Du kannst hier alles erwerben, was dein Herz begehrt. Nun ja– fast alles.«
    » Und was tut dein Mann? Hat er auch ein Geschäft?«
    » Er hat eine Stellung auf einer Plantage in den Usambara-Bergen.«
    George schwieg, und Charlotte verstummte ebenfalls. Eine seltsame Spannung lag zwischen ihnen, die sie beide daran hinderte, so unbefangen zu plaudern, wie Verwandte es taten, die sich lange nicht gesehen hatten. Zerstreut fasste er eines der Amulette aus geschnitzten Obstkernen, betrachtete es und legte es wieder beiseite. Dann nahm er eine kleine Schachtel aus dem Regal, öffnete sie und roch an dem Inhalt.
    » Was ist das?«
    Sie errötete. Nicht einmal Klara wusste von der

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