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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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er daran, wie er die Zeit bis morgen früh mit ihr verbringen sollte, was er sagen durfte und was nicht, welche Eingeständnisse er ihr machen konnte und was er besser verschwieg. Es würde ein Gang auf einem schmalen Grat sein, und er ahnte jetzt schon, dass ihm Fehler unterlaufen würden.
    Der erste Fehler war bereits passiert, ohne dass er eine Chance gehabt hätte, ihn zu umgehen. Charlotte war davon ausgegangen, er lebe mit Marie und den Kindern auf Sansibar, doch er war allein, seine Frau war in England geblieben, schon wegen der Kinder, die dort die Schule besuchen sollten, aber auch, weil Marie sich strikt geweigert hatte, noch einmal ins Ausland zu reisen. Seinem Vater ging es schlecht– es war Zeit für George, die Arztpraxis in London zu übernehmen.
    » Ich werde nur wenige Monate auf Sansibar bleiben«, hatte er Charlotte erklärt. » Es war ein Angebot, das über einen Kollegen zu mir kam, und ich habe es angenommen.«
    Was er verschwieg, war die Tatsache, dass er dieses Angebot angenommen hatte, weil ihm inzwischen zugetragen worden war, wohin es Charlotte verschlagen hatte. Seit ihrem Briefwechsel fühlte er sich zu ihr hingezogen, sah in ihr eine Gleichgesinnte, die in seinem Leben eine wichtigere Rolle einnahm, als er es zuerst für möglich gehalten hatte. Doch auch dies würde er ihr besser verschweigen.
    » Wie konntest du mich dann so einfach in dein Haus einladen? Wohnst du dort etwa ganz allein?«
    » Aber nein. Ich habe Angestellte, und es gibt viele Zimmer, in denen ich oft Gäste empfange. Dein guter Ruf ist nicht in Gefahr, Charlotte Ohlsen!«
    Sie war immer noch die brave, protestantisch erzogene Kleinstädterin, das hätte er vor seiner Einladung bedenken müssen, aber dazu war er bei ihrer Begegnung in der vergangenen Woche nicht fähig gewesen. Obwohl geplant, hatte ihn das Wiedersehen mit Charlotte vollkommen überwältigt, und er hatte einige Tage und Nächte gebraucht, um den Wust seiner Empfindungen zu entwirren.
    Er hatte nicht die romantische Seelenverwandte gefunden, das scheue kleine Mädchen mit den orientalischen Augen, das ihn einst so gerührt hatte. Charlotte war eine voll erblühte Schönheit, eine aufregende Mischung aus Orient und Okzident, schlank und doch ungemein weiblich, das Gesicht, in dem vor allem die dunklen, goldblitzenden Augen hervorstachen, war immer noch schmal, aber das Kantige, Unausgeglichene der Fünfzehnjährigen war daraus verschwunden. Mehr noch als das Äußere hatte ihn jedoch ihre Lebendigkeit fasziniert, ihre Tatkraft, die er der verträumten, kleinen Charlotte niemals zugetraut hätte. Sie führte diesen Laden ganz allein, und offensichtlich machte sie ihre Sache gut. Dennoch hatte er trotz all ihrer Beteuerungen, inzwischen mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen, bemerkt, dass sie weder ihre Träume noch ihre Neugier verloren hatte.
    Er hatte sich letztlich eingestehen müssen, dass diese neue Charlotte in ihm Empfindungen weckte, die für sie beide nicht gut waren. Genauer ausgedrückt: Er begehrte sie. Nicht nur ihren Körper, sondern vielmehr ihre sprühende Lebenskraft, ihre Zärtlichkeit, die Begeisterung, die er immer noch in ihr erwecken konnte. Eine Weile versuchte er, sich einzureden, er habe sie nur eingeladen, um ihr Ratschläge zu geben, Verbindungen aufzutun, sie über Tropenkrankheiten aufzuklären und sie mit Medikamenten versorgen zu können, dann jedoch erkannte er, dass dies alles nur Vorwände waren, so dass er sich vornahm, seine Einladung für besagten Freitag zu widerrufen.
    Doch das hatte er nicht fertiggebracht.
    » Hör zu, George!«
    Sie hatte sich ihm wieder zugewandt, eine lange Haarsträhne in der Hand, die sich aus ihrem aufgesteckten Zopf gelöst hatte und vor ihrer Nase herumflatterte. Der Strohhut hing an einem Band um ihren Hals, der Wind ließ ihn auf ihrem Rücken tanzen.
    » Es tut mir leid, dass ich mich so albern benommen habe. Natürlich werde ich in deinem Haus übernachten– schließlich sind wir erwachsene Menschen, nicht wahr?«
    » Ich bin froh, dass du so denkst«, sagte er erleichtert. » Falls dir aber noch Bedenken kommen sollten, kann ich dich auch in einem Hotel oder in der Familie eines englischen Kollegen unterbringen.«
    » Ach, Unsinn. Ich freue mich wahnsinnig– ist das dort hinten schon die Insel?«
    » Noch nicht, Frau Ungeduld. Es dauert noch ein wenig.«
    Sie war jetzt wie ausgewechselt, ließ sich von den Gewürznelkenplantagen erzählen, die erst Anfang des Jahrhunderts

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