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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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hatte es nicht eilig, die Hafengegend zu verlassen, immer wieder blieb sie stehen, sah aufs Meer hinaus, betrachtete neugierig die großen Segler und Dampfschiffe am Kai, bestaunte die schwarzen Träger, die Warenballen aus dem lang gesteckten Zollschuppen über schwankende Bretter in den Bauch der Schiffe schleppten. Als er sie endlich in eine der engen, mit Strohmatten und Tüchern überdachten Händlergassen geschleust hatte, verwandelte sie sich augenblicklich in die tatkräftige junge Frau, die er in ihrem Laden in Daressalam bewundert hatte. Kein Geschäft war ihr zu klein, kein Loch zu duster, sie musste alles bestaunen, betasten, nach Herkunft, Qualität und Preisen fragen. Sie sah den Metallarbeitern zu, die mit kurzen, sicheren Hammerschlägen gold- und silberfarbige Knöpfe herstellten, die man an Spazierstöcke aus Rohr stecken konnte. Sie befühlte Antilopengehörne und Leopardenfelle, starrte fasziniert in die aufgerissenen Mäuler ausgestopfter Flusspferde, steckte ihre Nase in jedes Pülverchen, schnüffelte an jedem Gewürz, prüfte die gelbe Schminke aus Kurkuma und das schwarze Antimon mit den Fingern, unterhielt sich mit dem Händler und fragte ihn neugierig aus. Woher? Wie teuer? Wie lange bleibt es frisch? Wer kauft es? Welche Speisen werden damit gewürzt? Schnell zeigte sich, dass sie bereits über gute Kenntnisse verfügte und sich nichts vormachen ließ; sie rechnete blitzschnell mit Rupien und Pesa und kam auch mit dem englischen Pfund und dem amerikanischen Dollar zurecht.
    Er sah dem Schauspiel amüsiert zu und musste daran denken, dass Marie sich stur geweigert hatte, auch nur ein einziges arabisches Wort in den Mund zu nehmen. Charlotte plapperte Suaheli, gemischt mit arabischen und indischen Brocken, wechselte aber auch mühelos ins Englische, und wenn sie gar nicht weiterkam, zeigte sie mit Mimik und Gesten, worauf sie hinauswollte.
    Er ließ ihr Zeit, blieb geduldig neben ihr stehen und wartete, bis sie ihre Verhandlungen abgeschlossen hatte, dann folgte er ihr zum nächsten Laden, wo das Ganze von vorn begann. Manches, wie die schön geformten Antilopenhörner, die kunstvoll geschnitzten, durchbrochenen Kugeln aus Elfenbein oder die halbmondförmigen Silberohrringe, schien ihr ganz besonders zu gefallen, doch sie kaufte kein einziges Stück. War sie geizig? Oder verdiente sie mit ihrem Laden nur gerade so viel, um sich und ihre Cousine ernähren zu können? Während sie mit einem arabischen Händler radebrechte, erstand er ein Paar teure, silberne Ohrringe, die zu ihrem schwarzen Haar großartig aussehen würden. Er steckte sie in seine Jackentasche, unsicher, ob sie dieses Geschenk von ihm annehmen würde. Dann sah er auf die Uhr und stellte fest, dass es schon gegen zwei ging.
    » Ich werde in der Klinik gebraucht«, gestand er ihr. » Es wird ein paar Stunden dauern, aber ich werde dich vorher zu meinem Haus bringen, damit du dich ein wenig ausruhen kannst.«
    Doch sie dachte gar nicht ans Ausruhen und wollte ihn auf jeden Fall begleiten, schon deshalb, weil sie gern sehen wollte, wie und wo er arbeitete. George blockte ab. Er müsse sich um seine Patienten kümmern, behauptete er, sie würde dort nur herumsitzen und sich langweilen. In Wirklichkeit hatte er Ärger mit seinem französischen Kollegen, der viele seiner Ansichten, die schwarze Bevölkerung betreffend, nicht teilte, und wollte nicht, dass Charlotte die gespannte Atmosphäre in der Klinik zu spüren bekam.
    » Ich gebe zu, dass ich einen boshaften Hintergedanken hege«, gestand er daher grinsend. » Ich habe inzwischen an meinem Buch weitergeschrieben und hoffte darauf, du würdest die Zeit damit ausfüllen, ein wenig in meinen Manuskripten zu schmökern.«
    Ihre Enttäuschung verflog, sie lachte und erkundigte sich verschmitzt, ob es in seinem Haus eine Dachterrasse gäbe. Und ob er einen Rotstift habe, denn wenn sie schon lesen müsse, dann wolle sie auch ihre Meinung dazu kundtun.
    » Darauf hoffe ich! Deine Korrekturen haben mir immer sehr geholfen, Charlotte.«
    Dieses Lob kam von Herzen, und doch hatte er nicht alles gesagt. Nicht nur ihre Anmerkungen– die sie bisher übrigens noch nie mit Rotstift, sondern nur mit Bleistift eingefügt hatte– waren ihm wichtig. Dieser schriftliche Austausch war ein Bindeglied zwischen ihnen gewesen, eine unverfängliche Art, dem anderen Gedanken und Empfindungen mitzuteilen, und er wollte sich diese Möglichkeit erhalten. Ihr Ehemann würde einen intimen Briefwechsel gewiss

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