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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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nicht dulden. Wenn sie jedoch Manuskripte korrigierte– was er ihr gern auch vergüten würde–, gab es für Christian Ohlsen keinen Grund, eifersüchtig zu sein.
    Sie waren in südlicher Richtung gegangen und hatten jetzt die Basare und die schmalen, verwinkelten Gassen der Kernstadt hinter sich gelassen. Das Ausländerviertel begann jenseits eines alten Bollwerks aus dicken Mauern und zinnenbesetzten Rundtürmen, das einst die Portugiesen errichtet hatten. Da es heute nicht länger von militärischer Bedeutung war, teilte es das Schicksal so vieler Gebäude der Stadt: Es verfiel langsam. Die Deutschen und Briten hatten geräumige Wohnhäuser, Militärunterkünfte und repräsentative Kolonialbauten errichtet, in Sichtweite der alten Türme befand sich das lang gezogene Gebäude der britischen Kommandantur, davor lag ein offener Platz für die Abnahme der Truppenparaden.
    » Die Stadtteile, in denen sich die Kolonialherren ansiedeln, ähneln einander, egal, wohin man kommt«, bemerkte er. » Immer findet man sie in den angenehmsten Gegenden, es gibt eine Postzentrale, ein Hotel und mehrere Bars, die nur von Europäern frequentiert werden, und man erkennt die offiziellen Gebäude schon aus der Entfernung an den wehenden Fahnen. Bald wird es hier auch eine große Kathedrale geben: Die französischen Missionare haben im Juli, kurz vor Ausbruch der Revolte, den Grundstein gelegt.«
    » Es erinnert tatsächlich ein wenig an das deutsche Viertel in Daressalam«, stellte Charlotte fest. » Ich glaube, es ist sehr angenehm, hier zu leben, aber mir gefällt die wimmelnde Betriebsamkeit der Basare unten in der Kernstadt besser.«
    Er musste schmunzeln; sie schien sich kein Bild davon zu machen, wie gefährlich es für einen Europäer war, sich in diesen düsteren Gassen zu verirren. Die Gewalt, die zu nächtlicher Stunde in solchen Gegenden vorherrschte, war für Charlotte vermutlich kaum vorstellbar. Doch er wollte ihr zumindest heute nichts davon berichten, da er sich wünschte, dass sie diesen Aufenthalt in angenehmer Erinnerung behielt.
    Das einstöckige Gebäude, das man ihm als Unterkunft zugewiesen hatte, war ein schmuckloser, rasch hochgezogener Bau mit einem Spitzdach, der ebenso gut in der Schweiz oder in Deutschland hätte stehen können. Angenehm waren nur die Begrünung ringsum und die Palmen, die das Bauwerk beschatteten, und natürlich die unmittelbare Nähe zum Meer.
    » Ich werde bis etwa fünf Uhr zu tun haben– wenn du willst, kannst du mich in der Klinik abholen«, schlug er vor. » Du kannst sie nicht verfehlen, du musst nur zum Meer gehen, die Klinik liegt südlich von hier direkt am Strand. Du kannst dir den Weg aber auch von Jim zeigen lassen.«
    Der Vorschlag schien ihr zu gefallen, ganz wie er vermutet hatte. Langsam löste sich seine Besorgnis auf, die Balance zwischen Nähe und Abstand war lange nicht so schwer einzuhalten, wie er befürchtet hatte. Er würde ihr einige seiner Manuskripte heraussuchen, nur einen kleinen Teil natürlich, damit noch genügend Vorrat für später blieb. Am Abend würden sie gemeinsam essen, ein Glas Wein trinken und sich dabei unterhalten. Über die Sahara und den Nil, die Pyramiden und die Kunst, ein Kamel zu reiten. Vielleicht auch über die Familie daheim in Europa, über die kleine Stadt in Ostfriesland, seinen Besuch damals… Falls sie die Sprache auf ihren Mann bringen würde, hatte er sich vorgenommen, wortlos zuzuhören, auch von Marie wollte er nur das Notwendigste berichten. Wenn er sich gut im Griff behielt, war die Chance, einen Fehler zu begehen, relativ gering.
    Morgen würde er sie dann zum Hafen begleiten und ihr zum Abschied vom Kai aus zuwinken. Keine Liebschaft. Nicht mit Charlotte. Es hätte alles zerstört, was zwischen ihnen war. Sie würden miteinander in Verbindung bleiben, Manuskripte hin- und herschicken, auch später, wenn er wieder in England war, würde er Briefe empfangen, die ihre Handschrift trugen– die Buchstaben ordentlich gesetzt, nur hin und wieder ein weit ausholender Schwung, ein Schnörkel, ein energischer Strich unter einem Wort, das ihr wichtig war.
    Er würde diese Briefe bitter nötig haben, denn im Grunde wusste er nicht, wie er weitermachen sollte.

Charlotte konnte vom Fenster des Arbeitszimmers sehen, wie George zwischen den Häusern verschwand, und sie wunderte sich, wie vertraut ihr seine hohe, überschlanke Gestalt war. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie zwischen zwei Häusern hindurch ein

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