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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Schiff war, wie widerlich der Geruch von Öl, Teer und Rauch, der ihr in die Nase stieg? Und diese vielen Menschen, die man auf dem Deck zusammenpferchte, so dass sie kaum ein Fleckchen fanden, um sich niederzusetzen– weshalb kam sie sich heute zwischen ihnen so verloren vor, während sie sonst immer ihre Freude an dem Gewimmel und den vielen Gesichtern gehabt hatte?
    Sie fühlte sich müde und krank, ihre Füße schmerzten, ihre Schläfen hämmerten, schon während der Nacht hatten sich heftige Kopfschmerzen eingestellt, die sich im Laufe des Morgens noch gesteigert hatten. Schlimmer jedoch war das Durcheinander ihrer Gefühle, das sie bis jetzt noch nicht hatte ordnen können. Scham wechselte mit Sehnsucht, Zorn mit Verzweiflung, mal glaubte sie, einen festen, geraden Weg vor sich zu sehen, dann wieder fiel alles auseinander. Spalten taten sich auf, Untiefen gähnten vor ihr, weit in der Ferne lockte ein schimmernd weißer Gipfel, doch der Pfad dorthin verlor sich im Dickicht.
    George hatte ihren Willen respektiert, hatte nicht gewagt, sie noch einmal zu küssen. Dafür hatte er sie bis zum Strand hinab getragen, denn bei ihrer wilden Flucht hatte sie sich tiefe Schnittwunden an den Füßen eingehandelt. Schonungslos rieb er ihr die Füße mit Salzwasser ein, wollte sie tröstend in den Arm nehmen, als der brennende Schmerz eintrat, doch sie wies ihn zurück, biss die Zähne aufeinander und gab keinen Laut von sich. Er beschaffte eine Rikscha, mit der sie in der Abenddämmerung zu seinem Haus fuhren, dort zog sie sich in eines der Gästezimmer zurück und verbarrikadierte die Tür.
    Sie hatte sich lächerlich benommen. Weshalb war sie nicht auf sein Angebot eingegangen, miteinander zu reden, das Missverständnis– wie er es nannte– zu klären? Er war ein Ehrenmann und hätte sie gewiss nicht angerührt, er hatte sich voller Sorge um sie bemüht und hätte die Chance verdient gehabt, sich vor ihr zu rechtfertigen. Aber ihre Angst war allzu groß gewesen, dabei fürchtete sie sich nicht einmal vor ihm, sondern vielmehr vor sich selbst.
    Später, als sie von Scham und Reue gepeinigt auf dem Bett lag, hatte die Frau an ihre Tür geklopft, ein Tablett mit Speisen und Getränken hereingereicht, dazu eine kleine Büchse, Verbandszeug und ein Paar bunt verzierter, geflochtener Schuhe. Die schöne Abessinierin sprach kein Wort und zog sich gleich wieder zurück, ihr Lächeln konnte Anteilnahme, aber auch Spott bedeuten. Charlotte hatte sich auf die Bettkante gesetzt, um ihre Füße zu verarzten, und wieder war ein Schatten über ihre Gedanken geglitten. War George tatsächlich ein » anständiger« Ehemann? Hatte er sie nicht dazu aufgefordert, sich von ihrem Mann zu trennen? Weshalb? Für wen sollte sie frei sein? Für ihn vielleicht, den Ehemann ihrer Cousine, den Vater von drei unschuldigen Kindern?
    George mochte ein interessanter und kluger Mensch sein, sie konnte viele seiner Überzeugungen teilen, in einigen Dingen bewunderte sie ihn sogar, aber sie würde sich in Zukunft fern von ihm halten und auch seine Manuskripte nicht mehr lesen. Vor allem das nicht, waren es doch gerade seine Schriften gewesen, die sie in seinen Bann gezogen hatten.
    Sie hatte kaum geschlafen, und wie es schien, war auch George oben in seinen Räumen nicht zur Ruhe gekommen. Mehr als einmal hatte sie seine Schritte vernommen, hatte gehört, wie er den Stuhl rückte, einmal war ein Glas heruntergefallen und zerschellt. Sie verbot sich, darüber nachzugrübeln, ob er ganz allein dort oben umherging oder ob es vielleicht noch jemanden gab, der auf leichten Bastschuhen fast lautlos über den Fußboden lief. Die Schuhe, die er ihr hatte bringen lassen, gehörten ganz sicher nicht ihm, vermutlich stammten sie aus dem Besitz der stolzen Abessinierin.
    Noch vor Sonnenaufgang, im ersten, fahlen Morgengrauen, war sie mit Regenschirm, Hut und Tasche aus dem Haus gelaufen, als sei sie auf der Flucht. Erst nach einer Weile hatte sie sich umgedreht. Die Fensterscheiben seines Arbeitszimmers spiegelten die ersten orangeroten Strahlen der aufgehenden Sonne. Sie glaubte, einen Schatten dahinter zu erkennen. Wenn er ihren überstürzten Aufbruch beobachtet hatte, so war er ihr doch nicht gefolgt. Charlotte hatte einen Augenblick verharrt, dann hatte sie sich langsam umgedreht und war weiter Richtung Hafen gegangen. Zwei füllige Afrikanerinnen mit bunten, aufwendig gewickelten Kopftüchern und silbernen Armreifen drängten sich soeben neben sie an die

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