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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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schmal, die Iris von den hellen Wimpern fast verborgen.
    Als er vor ihr stand, schwieg er eine kleine Weile und starrte sie an, dann sagte er etwas vollkommen Verrücktes.
    » Bist du glücklich?«
    Er hatte mit leiser Stimme gesprochen, und sie begriff, dass etwas hinter dieser Frage stand, auf das sie sich nicht einlassen durfte.
    » Eben gerade war ich glücklich wie ein Kind. Und schrecklich albern.«
    » Das waren wir beide, Charlotte. Es ist eine seltsame Sache mit dem Glück. Glück ist etwas Flüchtiges. Man muss es greifen, wenn es sich einem bietet, sonst eilt es vorüber.«
    Der Wind spielte in ihrem offenen Haar. Sacht strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht, und seine Hand verweilte dabei für einen winzigen Augenblick auf ihrer Wange.
    » Das Glück«, murmelte sie. » Kommt es im Leben darauf an? Es ist viel wichtiger, an dem Platz, an den man gestellt wurde, seine Pflicht zu erfüllen.«
    Wo hatte sie das nur gehört? Wieso redete sie jetzt solches Zeug?
    » Und was ist, wenn man dich an den falschen Platz gestellt hätte? Wenn es einen anderen Ort gäbe, an dem du deine Pflicht erfüllen und zugleich glücklich sein könntest?«
    Der Großvater hätte jetzt gesagt, dass es Gott war, der den Platz des Menschen bestimmte, doch im Grunde hatte sie niemals wirklich daran geglaubt…
    George legte nun seine Hand auf ihre Schulter, und sie spürte seine Finger, unruhig, nervös, zittrig, als stünde er unter großer Anspannung.
    » Wie meinst du das?«, fragte sie bang.
    Er drehte den Kopf zur Seite und sah aufs Meer. Sie hörte seinen gepressten, hastigen Atem.
    » Du bist nicht glücklich mit diesem Mann, Charlotte«, stieß er endlich hervor. » Dein Platz ist nicht an seiner Seite. Wenn du Mut hättest…«
    Entsetzt fuhr sie zurück, seine Hand glitt von ihrer Schulter, sein Arm sank herab.
    » Wie kannst du so etwas sagen?«, rief sie zornig. » Was geht dich das an, George Johanssen? Ich liebe Christian, und mein Platz ist an seiner Seite!«
    » Du liebst ihn nicht«, beharrte er hartnäckig. » Du kannst ihn gar nicht lieben, sonst wärst du nicht mit mir hierhergefahren!«
    Scham und Wut durchfluteten sie. O wie boshaft, ihr derartige Absichten zu unterstellen! Wie abgrundtief musste er sie verachten, wenn er so von ihr dachte! Sie war hierhergefahren, um die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, Sansibar kennenzulernen, zusammen mit ihm, seiner Ehefrau– ihrer Cousine Marie– und den Kindern. Er war derjenige gewesen, der sie getäuscht hatte!
    » Wag es nicht, mich je wieder anzufassen!«, schrie sie. » Geh! Verschwinde! Ich will dich nie mehr wiedersehen!«
    Sogar in ihrem Zorn begriff sie, dass sie ihm unsinnige Dinge entgegenschleuderte, doch es war ihr gleich. Sie hörte nicht einmal, was er erwiderte, und sie wollte es auch gar nicht wissen. In ihren Ohren klang noch der Satz » Du kannst ihn gar nicht lieben, sonst wärst du nicht mit mir hierhergefahren«– eine Beleidigung, die gerade darum so fürchterlich war, weil sie ein Körnchen Wahrheit enthielt.
    » Charlotte!«
    Sie raffte den Rock bis zu den Knien und rannte davon. Spürte den Sand unter den Füßen, stellte fest, dass sie die Schuhe hatte fallen lassen, und hielt doch nicht an, rannte weiter und weiter, fort vom Strand, über schmale Wege und durch enge Gassen. Wo war sie? Graue, halb verfallene Häuser waren plötzlich um sie herum, Gebüsch, der umgestürzte Stamm einer vertrockneten Palme. Sie schlüpfte zwischen den Gebäuden hindurch, spürte einen stechenden Schmerz im linken Fuß, doch sie blieb nicht stehen. Sprang über Scherben und Unrat, stieß sich an einem vorstehenden Brett, stolperte fast, weil ihr ein niedriger Karren im Weg stand. Hühner flatterten auf, ein kleiner Köter kläffte sie an.
    » Charlotte! Verdammt noch mal!«, tönte es zornig hinter ihr her.
    Was sie aufhalten sollte, trieb sie nur zu weiterer Flucht an. Nur fort, zum Hafen hinunter, irgendwie würde sie ein Boot finden, das sie zum Festland hinüberbrachte. Der Dampfer fuhr erst wieder morgen früh, aber es gab die kleinen Dhaus, die Handelsboote…
    » Charlotte. Um Himmels willen! Charlotte!«
    Wo war nur der Hafen? Sie musste sich links halten, doch da gab es kein Durchkommen. Die Gebäude waren jetzt dichter, die schmalen Gassen zahlreicher, sie trat auf etwas Weiches, das jammervoll aufkreischte, sah dunkle Gesichter, blitzende, große Ohrringe, hörte lautes Gelächter. Ihr Herz hämmerte. Weshalb musste sie auch dieses enge

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