Himmel über dem Kilimandscharo
ihre Ersparnisse noch in der Schachtel waren. Doch war das jetzt noch von Bedeutung?
Die Nacht über wurde sie von Übelkeit und Kopfschmerzen geplagt, erst als gegen Morgen ein Gewitter losbrach und der ersehnte Regen endlich herabströmte, fühlte sie sich besser. Christians Bett neben ihr war leer geblieben, was sie als Erleichterung empfand. Sie wollte ihn nicht sehen, sollte er bleiben, wo er mochte. Er war nicht mehr der Mann, den sie damals geheiratet hatte, er hatte sie bedroht, Hand an sie gelegt und war dann feige davongelaufen, anstatt ihr zu helfen.
Schammi hockte zusammengekauert wie ein kleiner Schatten in der Küche und blickte sie mit großen, besorgten Augen an. Sie lächelte ihm zu und beeilte sich, ein Feuer anzuzünden.
» Lauter Donner, bibi Charlotte. Böser Donner. Jetzt ist vorbei. Schammi bringt bibi Klara den Tee. Bibi Klara wird bald gesund.«
Er hatte den Streit in der Nacht gehört, aber nicht gewagt, in die Wohnstube zu gehen. Jetzt schien er heilfroh, dass die immer zuverlässige bibi Charlotte die Dinge wieder in die Hand nahm.
» Natürlich, Schammi. Alles wird gut. Pass aber auf, dass du nicht schon wieder eine Tasse zerbrichst, ja?«
Zu ihrer Erleichterung fühlte sich Klara besser, das Fieber war gesunken, aber Charlotte hielt nichts davon, dass sie sich gleich wieder an ihre Näharbeiten setzen wollte.
» Es regnet, Klara. Da ist das Licht schlecht, und du kannst sowieso nicht nähen. Bleib besser hier oben in der Wohnung, und ruh dich aus. Ich komme schon allein zurecht.«
» Wo ist Christian? Hat es wieder Streit gegeben? Du bist schrecklich blass, Lotte.«
» Es geht mir gut.«
Das war gelogen, und Klara wusste es, doch Charlotte war nicht gewillt, sich ihr anzuvertrauen. Was gestern Abend in der Wohnstube geschehen war, konnte sie selbst kaum begreifen, und noch weniger würde Klara es verstehen können. Sie würde sie bemitleiden und trösten und im gleichen Atemzug erklären, dass sie Geduld haben müsse, dass Christian Schlimmes durchgemacht habe und Zeit brauche, um wieder zu sich zu finden. Auf solchen Trost konnte Charlotte verzichten.
Schlecht gelaunt und mit immer noch schmerzendem Schädel saß sie unten im Laden und war ausnahmsweise froh darüber, dass wegen des Regens nur wenig zu tun war. Gegen Mittag war Christian immer noch nicht aufgetaucht, und sie musste gegen die aufkommende Sorge ankämpfen. Doch sie hatte ihn schließlich nicht fortgeschickt, er war aus eigenem Antrieb davongelaufen, war ein erwachsener Mann und musste wissen, was er tat. Doch es half wenig, denn ihr war nur allzu klar, dass Christian hilflos wie ein Kind war.
Am frühen Nachmittag erschien Kamal Singh, gefolgt von einer Reihe schwarzer Träger, die eine Menge Kisten und Warenballen schleppten. Eine Weile herrschte reges Treiben im Laden, Waren wurden aus dem hinteren Bereich hinausgetragen, die neuen Waren eingelagert. Kamal Singhs kurze, energische Anweisungen, der derlei Arbeiten stets in eigener Person überwachte, waren zu vernehmen. Als alles geregelt war, ließ er für sich und Charlotte Tee bringen und erkundigte sich nach Klaras Gesundheit. Christians Abwesenheit schien er gar nicht zu bemerken, er hatte einen sechsten Sinn für Dinge, die seinem Gegenüber peinlich sein könnten, und schwieg sich darüber aus.
» Ich werde mich an der Karawane beteiligen«, erklärte ihm Charlotte mit Entschlossenheit. » Aber nur zu dem Teil, den ich auch aufbringen kann.«
Sein Blick streifte nachdenklich den leeren Sessel, dann reichte er ihr die Hand, um das Geschäft abzuschließen.
» Sie sind eine kluge Frau, Charlotte. Ich bin sicher, dass wir noch sehr oft miteinander Geschäfte machen werden. Gute Geschäfte.«
Er hatte einen erstaunlich festen Händedruck, der wenig zu der sanften Art passte, in der er mit ihr sprach. Auch nicht zu seinen dunkelbraunen Augen, in denen jetzt, da der Regen den Laden verdunkelte, nur selten ein goldener Schein aufblitzte. Zum Abschied neigte er sich ein wenig nach vorn, als wolle er eine kleine Verbeugung andeuten, dann stellte er die Teegläser zurück auf das bunte gelackte Holztablett und trug alles hinüber in seinen Laden. Ein Windstoß zerrte an seinem weiten, safrangelben Mantel, und Charlotte, die immer noch von Kopfschmerzen geplagt wurde, glaubte, einen Dschinn mit wild flatternden Schwingen davonfliegen zu sehen.
Von Christian gab es noch immer keine Spur. Als der Regen nachließ und die Wolken aufrissen, wurde es lebhafter auf
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