Himmel über dem Kilimandscharo
mich schützen, um deinetwillen.«
Christian war ehrlich erschrocken über Klaras Schwäche und schien sogar bereit, an diesem Abend auf seinen üblichen Besuch in der Brauerei zu verzichten. Mit beklommener Miene setzte er sich in die Wohnstube und sah zu, wie Charlotte die heutigen Einnahmen und Ausgaben notierte. Inzwischen standen Tisch und Stühle in dem kleinen Wohnraum, außerdem eine uralte Kommode, die Christian für seine Hemden, Socken und die Unterwäsche beanspruchte. Dazu hatte Klara Vorhänge aus weißem Baumwollstoff genäht, die dem Raum vor allem abends beim Schein der Petroleumlampe ein freundlicheres Aussehen gaben.
Für das Geschäft war es ein guter Tag gewesen. Die deutsche Kundin hatte noch am Abend ihre Wäsche abholen und bezahlen lassen, denn sie würde übermorgen gemeinsam mit ihrem Mann ins Landesinnere nach Iringa aufbrechen.
» Was für ein Wahnsinn«, meinte Christian. » Das ist über fünfhundert Kilometer von Daressalam entfernt im Westen. Sie werden wochenlang durch Wälder und Savannen laufen. Flüsse überqueren. Sich Blutegel und das Fieber einhandeln. Eine Frau kann das nicht durchhalten, sie wird die meiste Zeit von den Schwarzen getragen werden müssen und todkrank in Iringa ankommen.«
» Wer weiß?«, meinte Charlotte, die jetzt das eingenommene Geld auf dem Tisch ausbreitete und nachzählte. » Vielleicht hält eine Frau das ja besser aus als mancher Mann.«
Er schüttelte den Kopf, was so viel heißen sollte, dass sie keine Ahnung habe.
» Dieses Land ist grausam, Charlotte. Es verzeiht nicht. Wir sind Fremde, die hier nicht willkommen sind…«
Über den Tisch hinweg streckte er den Arm nach ihr aus und umklammerte ihre Hand, in seinen Augen lag eine solche Traurigkeit, dass sie erschrak.
» Das ist nicht wahr, Christian. Dieses Land ist geduldig und großmütig. Wenn wir lernen, es zu lieben, wird es uns annehmen und reich belohnen.«
» Dieses Land wird uns niemals annehmen, Charlotte…«
» Wenn wir uns hinsetzen und jammern freilich nicht«, gab sie leicht verärgert zurück. » Hör zu, Christian, ich habe einen Plan, den ich mit dir besprechen möchte. Es geht um ein Geschäft, das Kamal Singh mir vorgeschlagen hat…«
» Der Inder?«
Unwillig zog Christian den Arm zurück. Er hatte sich Trost und Verständnis von ihr erhofft, geschäftliche Vorhaben interessierten ihn nicht.
» Kamal Singh will gemeinsam mit seinen Söhnen und anderen Geschäftspartnern eine Karawane ausstatten, und er hat mir angeboten, mich daran zu beteiligen…«
» Eine… Karawane? Wozu?«, fragte er gleichgültig.
Sie erklärte es ihm. Es sollte von Pagani nach Klein-Arusha am Kilimandscharo gehen, von dort aus weiter nach Nguruman und dann über Groß-Arusha zurück nach Daressalam. Auf dem Hinweg wurden bunte Baumwollstoffe, Glasperlen, Draht aus Messing, Kupfer und Eisen, Schießpulver, Gewehre und Schnaps mitgenommen, die bei den Eingeborenen vor allem gegen Elfenbein, aber auch gegen Tierhörner, Kopal und andere Dinge eingetauscht wurden. Diese würde man dann entweder nach Europa oder nach Sansibar verkaufen. Auch nach Abzug der Kosten würde ein guter Gewinn übrig bleiben.
» Das behauptet der Inder?«, fragte Christian unwillig. » Und darauf willst du dich einlassen? Was ist, wenn die Karawane nichts zurückbringt? Wenn sie von feindlichen Negerstämmen überfallen und ausgeraubt wird?«
» Kamal Singh ersetzt alle Waren, die durch Diebstahl abhandenkommen oder auf andere Weise verloren gehen. Auch solche, die durch Wasser beschädigt werden. Nur bei Feuer oder Krieg übernimmt er keine…«
» Wieso vertraust du immer wieder diesem Inder?«, unterbrach er sie aufgebracht. » Woher willst du wissen, dass er ehrlich ist? Er wird dein Geld nehmen und dir hinterher erklären, es sei leider kein Gewinn zu machen gewesen, die Karawane habe mehr gekostet, als sie eingebracht hat!«
Sie war enttäuscht, hatte sie doch gehofft, ihn in dieses Projekt miteinbeziehen zu können, war bereit gewesen, auf seinen Rat zu hören. Doch er verurteilte ihr Vorhaben von vornherein, und das nur aus dem Grund, weil es mit Kamal Singh zu tun hatte. Auch sie war zögerlich gewesen, doch jetzt, da Christian so aufgeregt mit den Händen in der Luft herumfuchtelte und ihr erklärte, sie sei ein naives Mädchen, das die Schlichen dieses Inders nicht durchschaute, jetzt war sie fest entschlossen, das Wagnis einzugehen.
» Sag, was du willst, ich werde einen Teil der Ersparnisse in diese
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