Himmel über dem Kilimandscharo
er und Charlotte, im Gefängnis landen, denn der gewitzte Inder würde die Schuld ganz sicher auf sie abwälzen.
» Das ist vollkommener Blödsinn!«
Er war streitsüchtig und machte ihnen allen das Leben schwer. Jede Kleinigkeit störte ihn, die Wohnung war zu eng, der Laden schlecht geführt, Klara arbeitete zu billig, und Schammi war ein Faulpelz. Er blaffte sogar die Kunden an, wenn sie kein Deutsch sprachen. Seine Kenntnisse in Suaheli waren beschränkt, und er war auch nicht bereit, diese Negersprache zu lernen. Wenn Charlotte sich ihm entgegenstellte, kam es nicht selten zu langen Streitereien, die Christian stets mit beißendem Spott ausklingen ließ.
» Wie schön! Ich werde vor jeder Negerin drei Bücklinge machen und ihr die schwarzen Füße küssen, damit sie mir eine Handvoll Reis abkauft.«
Sein Eifer im Laden währte nur kurz, schon bald verlor er das Interesse daran und nahm seinen Platz im Sessel wieder ein. Dort hockte er teilnahmslos, starrte vor sich hin oder schlief und ließ Charlotte schalten und walten, wie sie es für richtig hielt. Am Abend nahm er sich Geld aus der Ladenkasse, um Wilhelm Schmidts Brauerei zu besuchen, und wenn er spät in der Nacht heimkehrte, war er betrunken. Dann warf er sich geräuschvoll auf sein Bett, um sofort einzuschlafen.
» Es ist die feuchte Hitze, Charlotte«, sagte Klara, die ebenfalls unter dem Monsun litt. » Wenn dieser heiße Nordostwind nachlässt, wird Christian wieder zu sich finden. Im Grunde ist er doch ein großzügiger und gütiger Mensch.«
» Sicher ist er das«, gab Charlotte seufzend zurück. » Zumindest war er das früher einmal…«
Sie ließ ihn gewähren, verschmerzte auch die fehlenden Beträge in der Kasse– zumindest verschafften sie ihr ruhige Abende und sorgten dafür, dass die nächtlichen Belästigungen ausblieben. Sie riet ihm nur, den Revolver mitzunehmen, damit er sich notfalls gegen die Löwen wehren konnte, wenn er spät in der Nacht zurück in die Inderstraße torkelte. Doch er lachte sie aus, prahlte damit, die feigen Biester nicht zu fürchten und sie notfalls mit einem Fausthieb in Schach halten zu können. Wie merkwürdig– hatte er nicht in seinen Fieberphantasien von Bestien geredet, die ihn umschlichen, und sich in panischer Angst an ihre Schulter geklammert?
» Damit ist nicht zu spaßen, Christian«, sagte sie daher. » Erst letzte Woche wurden zwei Schwarze von einer Löwin angegriffen. Sie haben Glück gehabt, dass ein deutscher Offizier dazukam, der die Bestie mit einigen Gewehrschüssen vertrieben hat.«
» Das gefällt dir, wie?«, höhnte Christian. » Ein strammer Offizier mit weißer Uniform und Orden an der Brust. Einer, der seine Munition vergeudet, um zwei besoffene Neger vor einem Löwen zu retten.«
Charlotte wurde bald klar, dass er krank sein musste. Vielleicht hatte das wochenlange, hohe Fieber diese Veränderung in seinem Charakter bewirkt, vielleicht war es aber auch die Hoffnungslosigkeit, die sie nach seiner Rückkehr in seinen Augen gesehen hatte. Sie vermied es, ihm zu widersprechen, doch auch das gefiel ihm nicht– im Grunde wartete er nur auf ihre Gegenrede, um einen neuen Streit zu provozieren. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er wie ein Besessener immer wieder eine Möglichkeit suchte, sich selbst zu verletzen.
Die kleine Regenzeit, die eigentlich im März eintrat, ließ in diesem Jahr auf sich warten. Es blieb heiß und feucht, in den Nächten konnte man nicht schlafen, und über die Mückenschwärme freuten sich nur die Schwalben, die über dem Ladeneingang ihre Nester an die Hauswand geklebt hatten. Klara fieberte und musste Chinin einnehmen, sie bestand jedoch darauf weiterzuarbeiten und saß mit vierzig Grad Fieber an ihrer Nähmaschine, um für die junge Ehefrau eines deutschen Offiziers Hemden und Unterröcke fertigzustellen. Am Abend war sie so schwach, dass Christian sie die Treppe zur Wohnung hinauftragen musste. Sie hatte schrecklichen Durst, doch sosehr Charlotte sie bedrängte, sie wollte auf keinen Fall etwas essen.
» Es wird schon wieder«, flüsterte sie, als sie auf ihrem Bett lag. » Wenn ich nur ein wenig schlafen kann…«
» Ich sehe nachher noch einmal nach dir«, sagte Charlotte zärtlich. » Denk daran, viel zu trinken. Und später wirst du ein paar Bissen zu dir nehmen, darauf bestehe ich! Wenn es morgen nicht besser ist, bringen wir dich in die Gouvernementsklinik.«
» Morgen bin ich wieder gesund, Charlotte. Das verspreche ich dir. Gott wird
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