Himmel über dem Kilimandscharo
Karawane investieren. Nicht alles, weil wir eine kleine Summe für Notfälle zurückhalten müssen. Aber ich will es versuchen.«
Er begann zu lachen. Sein Gesicht erschien ihr im Schein der Lampe verzerrt und voller Schatten, was auch daran liegen mochte, dass er nachlässig geworden war und sich nicht mehr gründlich rasierte.
» Du?«, rief er und fasste die Tischkante mit beiden Händen, um sich besser nach vorn lehnen zu können. » Du willst es versuchen? Was denkst du dir dabei? Hast du vergessen, dass dieser Laden auf meinen Namen läuft?«
» Ich habe den Mietvertrag mit unterschrieben!«
» Wen kümmert das? Ich bin dein Ehemann und verwalte unser gemeinsames Geld, so steht es im Gesetz. Du, meine Liebe, kannst ohne meine Einwilligung keine Geschäfte machen und keinen Vertrag unterschreiben.«
Triumphierend sah er sie an. Hohn zuckte in seinen Mundwinkeln, als habe er gerade eben einen mächtigen Gegner zur Strecke gebracht. Plötzlich wurde Charlotte von einer unbändigen Wut gepackt.
» Aber Geld verdienen, das darf ich, ja? Dagegen hat das Gesetz nichts einzuwenden?«
» Was willst du damit sagen?«, blaffte er zurück.
Sie wusste, dass der Streit jetzt eskalieren würde, aber sie konnte nicht länger schweigen.
» Was ich damit sagen will? Ich will damit sagen, dass ich es bin, die dieses Geld verdient hat. Ich habe uns eine Existenz aufgebaut, und ich bestimme, was mit den Rücklagen geschieht!«
Er fiel auf den Stuhl zurück, und sie bereute ihre Worte, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. Christian war totenblass geworden, hatte die Hände um die Tischkante gekrallt, und sie bemerkte, dass seines Fingernägel bläulich verfärbt waren.
» So steht es also.«
Die Worte kamen zischend aus seinem Mund, als habe er keine Kraft mehr, die Stimme zu gebrauchen.
» Glaubst du, ich hätte nicht bemerkt, wie sehr du mich verachtest?«, fuhr er fort. » Du weist mich vor Klara und diesem Negerbalg zurecht wie einen Lehrjungen. Du kokettierst mit jedem Neger, Araber oder Inder, der in diesen armseligen Laden kommt, um eine Flasche Lampenöl zu kaufen. Und in der Nacht liegst du bei mir wie eine Tote, reglos und gleichgültig. Hat es dir auf Sansibar gefallen? Ein Mann wie George Johanssen, ein erfolgreicher Arzt und reicher Erbe– das wäre doch besser als eine gescheiterte Existenz, wie ich es bin. Würdest du gern seine Frau sein? Da hast du Pech, meine Liebe, da kommst du leider zu spät…«
Sie zuckte unter seinen Beschimpfungen zusammen, als wären es Schläge. Es war boshaft, es war ungerecht. Und doch lag auch ein kleines Stückchen Wahrheit darin.
» Sei still«, flehte sie. » Willst du Klara wecken? Es geht ihr schlecht genug, sie braucht ihren Schlaf!«
Er hatte ihre Betroffenheit bemerkt und genoss jetzt seinen Sieg. Mit einem Ruck fuhr er von seinem Stuhl hoch, griff über den Tisch und zog die aufeinandergestapelten Münzen zu sich heran.
» Es wird dir nicht gefallen, mein Schatz«, trumpfte er auf. » Aber ich bin es, der über dieses Geld bestimmt. Und auch über das, was du dort in der Mauer versteckst. Von nun an werde ich unser Vermögen verwalten, wie es sich gehört.«
Völlig erstarrt sah sie zu, wie er die Münzen in seine Jackentasche gleiten ließ, und erst als er schon vor der Mauer kniete, um den losen Stein zu entfernen, begriff sie, dass er Ernst machte.
» Nein! Dazu hast du kein Recht.«
» Alles Recht der Welt. Ich werde nicht zulassen, dass du unsere Ersparnisse vergeudest.«
Sie stürzte auf ihn zu, fasste ihn an der Schulter, um ihn an seinem Tun zu hindern. Er fuhr herum, Wahnsinn in den Augen, und stieß sie vor die Brust. Der Stoß war so hart, dass ihr die Luft wegblieb. Sie stürzte rücklings gegen die Kommode und schlug mit dem Hinterkopf aufs Holz. Für einen Augenblick spürte sie nichts als eine dumpfe Erschütterung, als habe sich ihr Hirn im Schädel bewegt, dann sah sie wie durch einen Schleier hindurch Christians Gesicht. Er beugte sich über sie, bleich, die Augen geweitet vor Entsetzen.
» Charlotte… Charlotte…«
Eine Welle von Übelkeit stieg in ihr auf, sie konnte nicht antworten, machte nur eine abwehrende Bewegung mit der Hand. Sein Gesicht verschwand, und sie hörte die Tür schlagen. Es klang seltsam hohl und bedrohlich, und sie glaubte, ein Beben im ganzen Körper zu spüren. Erst nach einer Weile war sie imstande, sich zu bewegen, kroch mühsam auf allen vieren zur Wand, zog den Ziegelstein heraus und stellte fest, dass
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