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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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kassierten unerbittlich die neue Kopfsteuer ein.
    Der Weg führte an den strohgedeckten Baracken der Eingeborenen vorüber durch vertrocknete Gärten und verwildertes Gelände, bald jedoch verbreiterte er sich zur Straße, war von einzelnen Häusern und Läden gesäumt, und zwischen Palmen und Akazien erblickten sie die protzigen Gebäude der Kolonialherren. Blaugrün wie ein kostbarer Smaragd schimmerte dahinter die Bucht von Tanga.
    Charlotte hatte es eilig, das Postamt zu erreichen. Es war eine Angelegenheit, die sie gern erledigt haben wollte, und sie hoffte, das neue Wunderwerk des Fernsprechers, das inzwischen fast alle größeren Küstenstädte miteinander verband, würde ihr dabei gute Dienste leisten. Am Tag vor ihrer Abreise hatte der Briefträger die Post gebracht, darunter einen Brief aus Daressalam, und sie erkannte zu ihrer allergrößten Überraschung Georges Handschrift. Tatsächlich arbeitete George Johanssen seit einigen Wochen wieder in der Klinik für Einheimische in Daressalam und fragte an, ob er im kommenden Monat auf ihrer Plantage Station machen dürfe. Er wollte den bekannten Arzt Robert Koch aufsuchen, der in Amani im Usambara-Gebirge nach dem Erreger der Schlafkrankheit forschte, danach plante er zu den Meru-Bergen zu reisen, um die Eingeborenen gegen Typhus zu impfen.
    Er war also doch nicht zur Ruhe gekommen, hatte seine gerade erst gegründete Praxis in London wieder aufgegeben, um in der alten Rastlosigkeit in die Ferne zu ziehen. Weshalb aber ausgerechnet Daressalam? George schien erst vor Kurzem erfahren zu haben, dass Max nicht mehr lebte, denn zu Beginn seines Briefes fand er eindringliche Worte, um sein Mitgefühl auszudrücken. Er war ein gewandter Schreiber, das wusste sie seit Langem, aber in diesem Fall hatte er sein Ziel nicht erreicht. Sie empfand seine Trauer um Max als halbherzig und den geplanten Besuch als sehr unpassend. Sie würde ihm per Fernsprecher kurz und bündig erklären, dass er und seine Freunde ihrer Plantage gern einen Besuch abstatten könnten, sie selbst jedoch nicht dort sein würde.
    Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Ferngespräch geführt. Der Fernsprecher bei der Post in Leer, ein unförmiger Holzkasten, war zwar für jeden zugänglich, aber solch überflüssige Geldausgaben waren im Etat der Familie Dirksen nicht vorgesehen. Schließlich war man früher auch ohne neumodisches Zeug wie dieses ausgekommen.
    Ein Postbeamter nahm sich ihrer an und führte sie zu zwei an der Wand aufgehängten Holzkästchen, unter denen ein Brett zum Auflegen von Papieren oder Büchern angebracht war. Eine junge Afrikanerin stand dort, das schlafende Kind auf den Rücken gebunden, und schwatzte eifrig in den Hörer hinein.
    » Ein Gespräch zum Krankenhaus für Einheimische in Daressalam?«, fragte der Beamte, schmunzelnd ob ihrer Ahnungslosigkeit. » Ich werde Sie anmelden.«
    Unfassbar, dachte sie. Diese junge Schwarze benutzt den Fernsprecher vollkommen unbefangen, sie lacht und redet, als stünde der Gesprächspartner ihr direkt gegenüber. Und ich komme daher wie ein ahnungsloses, dummes Schaf.
    Sie musste warten, ging währenddessen ruhelos auf und ab und sorgte sich, dass George vielleicht schon zu den Meru-Bergen aufgebrochen war. Vielleicht hatte er auch mit seinen Patienten zu tun und keine Zeit, einen Anruf entgegenzunehmen. Weshalb hatte sie nicht ihren Namen genannt? Ach, sie hatte sich das alles so einfach vorgestellt, jetzt würde es wahrscheinlich gar nicht klappen.
    Juma schien diesem Wunder der Technik vollkommen gleichgültig zu begegnen. Er hatte Charlottes Reisegepäck am Boden abgestellt und sich daneben niedergelassen, um die Ereignisse in aller Ruhe abzuwarten. Dabei döste er vor sich hin, wahrscheinlich war er todmüde nach der aufregenden Reise mit der Dampf spuckenden Feuermaschine.
    » Nehmen Sie bitte den Hörer ab– Ihr Gespräch ist da!«
    Sie stürzte zu dem freien Telefonkasten und stieß vor Aufregung fast mit der jungen Afrikanerin zusammen, die ihr Gespräch gerade beendet hatte. Der Hörer glich einer runden Blechdose, die durch eine Schnur mit dem Holzkasten an der Wand verbunden war.
    Sie vernahm ein Rauschen, dann knackte es zweimal, eine seltsam krächzende Stimme sagte etwas, das sie nicht verstehen konnte.
    » Wer ist dort?«, fragte sie unsicher.
    » Hier ist Dr. Johanssen. Wen wollten Sie sprechen?«
    Es war George. Wie fremd sich seine Stimme anhörte. Nicht nur flach und gepresst, sie klang auch abweisend.
    » George!

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