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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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geheimen Kummer, und oft genügte den beiden ein Lächeln, ein kurzer Blick, eine Berührung mit der Hand, um sich miteinander zu verständigen.
    Jetzt sagte Klaras Lächeln: Schau, wie sie die arme Ettje herausstaffiert haben, dabei wird sie ohnehin nicht gegen Menna oder gar Marie bestehen können, da gibt es keinerlei Hoffnung.
    Seit der Besuch angekündigt worden war, hatte Tante Fanny eifrig genäht, um ihre ältere Tochter, die nun schon fast zwanzig war, so schön wie möglich zu kleiden. Sie hatte Ettje sogar ein Korsett nach neuester Mode geschneidert, und am Morgen hatte Tante Fanny die Tochter eigenhändig geschnürt. Tatsächlich wirkte Ettje jetzt zwar ziemlich steif, aber doch fast zierlich in der eng anliegenden, gestreiften Jacke, unter der sie eine dunkelblaue Bluse mit Stehbündchen trug. Wenn man sie anfasste, fühlte sich ihre Taille hart an wegen der eingenähten Stäbe.
    » Doktor Johanssen ist in London ein sehr angesehener Arzt, und seine Frau kommt aus vornehmer Familie. Ich glaube, sie sind sogar von Adel und haben mehrere Offiziere in der Familie…«
    » Du hast ja nicht einmal das Haar aufgesteckt«, wandte sich Klara kopfschüttelnd an Charlotte. » Komm, ich helfe dir, es sind noch ein paar Nadeln übrig.«
    Unten hörte man die Großmutter schelten, das Fleisch würde kalt werden, wenn die Mannsleute nicht endlich beikämen. Menna und Marie traten schwatzend und gläserklirrend in den Flur und wurden von der Großmutter nicht eben freundlich empfangen. Es störte sie wenig– Maries fröhliches Lachen ertönte, dann schlug die Stubentür hinter ihr zu.
    » Pünktlichkeit ist eine Tugend. Aber die lernt man in England wohl nicht!«, knurrte die Großmutter auf dem Flur.
    Klara legte Charlottes dicken Zopf zu einem Kringel und steckte ihn an ihrem Hinterkopf fest; sie arbeitete so geschickt, dass Charlotte die Haarnadeln kaum spürte.
    » Schau in den Spiegel, Charlotte! Wenn du magst, stecke ich dir das Haar jeden Tag so auf– dann siehst du aus wie eine junge Dame.«
    » Bloß nicht!«
    Der kleine Wandspiegel zeigte ein blasses Gesicht, die Nase zart, der Mund zu groß, die Wangen schmal, fast hager. Nichts Liebliches lag in diesen Zügen, sie waren unausgeglichen, kantig, voller Gegensätze, zeigten schon lang nicht mehr die sanften Linien des Kindergesichts, wollten sich aber auch noch nicht zu dem Antlitz einer jungen Frau fügen. Alles beherrschend waren die dunklen, ein wenig umschatteten Augen, deren Wirkung durch die schwarzen Wimpern und die dichten gewölbten Brauen noch zusätzlich betont wurde. Das gewaltige Zopfgebilde an ihrem Hinterkopf erschien Charlotte lächerlich, und sie hätte es gern wieder gelöst, wäre Klara nicht so begeistert von ihrem Werk gewesen.
    » O Gott!«, stöhnte Ettje und riss den Spiegel an sich. » Jetzt ist die ganze Stirn rot und dick angeschwollen. Ich sehe aus, als wäre ich gegen die Wand gelaufen. So kann ich unmöglich nach unten gehen…«
    » Sie kommen!«, hörte man Mennas helle Stimme aus dem Hausflur. » Du liebe Zeit, wie erhitzt sie sind. Was für ein Spaß, bei diesem Wetter durch die Stadt zu laufen und alte Häuser anzustarren!«
    Na endlich, dachte Charlotte. Wenn dieser Tag nur schon vorüber wäre! Morgen werden wir aufräumen und saubermachen– Gott weiß, wann ich wieder ans Klavier komme.
    In der Wohnstube hatte man den Esstisch durch einen Klapptisch aus der Waschküche verlängert, was kaum auffiel, denn das schöne Tafeltuch der Großmutter ließ die Ritze verschwinden. Das Sofa war zum Tisch gerückt worden, die dort Sitzenden bekamen Kissen untergelegt, sonst hätten sie nur mit Kopf und Schultern über die Tischplatte geragt. Auch der Ohrensessel diente als Sitz, Paul hatte Großvaters Schreibtischstuhl heruntergetragen, und schließlich war noch einer der beiden Küchenstühle geholt worden, der nun so dicht am Fenster stand, dass das abgewetzte Holz der Lehne beim Eintreten kaum ins Auge fiel. Auf diesem Stuhl hatte Klara Platz zu nehmen, Charlotte saß weiter vorn, um der Großmutter rasch bei der Hand zu sein, falls etwas aus der Küche geholt werden musste.
    Ansonsten war die Sitzordnung wie immer. Vorn bei der Tür thronte der Großvater am Kopfende des Tisches, dicht bei ihm saß die Großmutter, daneben Tante Edine und Tante Fanny. Das untere Ende des Tisches, zum Fenster hin, war für die » Jugend«, dort hatte man dem Gast schon einen Stuhl zugewiesen, und Tante Fanny focht im Flur einen heißen Kampf mit

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