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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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war schließlich Sünde, genau wie im Gasthaus zu hocken und sich zu betrinken, an Glücksspielen teilzunehmen oder noch schlimmere Dinge zu tun. Solche schlimmen, unsittlichen Dinge taten manche Männer, das wussten sie aus gewissen Andeutungen der Großmutter, was genau dabei aber passierte, blieb ein aufregendes Geheimnis.
    » Ach, das ist doch nur unter uns in der Stube, Charlotte«, beschwichtigte Marie und warf den Kopf zurück. Sie war besonders hübsch heute, ihre Augen strahlten, ihr Haar glänzte, fast schien es Charlotte, als würde die ganze Marie von innen heraus leuchten. Nach dem Essen gab es selbst gemachten Johannisbeerlikör und klaren Korn, der allerdings dem Großvater vorbehalten blieb. Er unterhielt sich jetzt angeregt mit George über den Konflikt in Sansibar und schalt auf den Sultan, der den Deutschen verbieten wollte, das Küstenland unter den Schutz des Reiches zu stellen. Er solle auf seiner Insel bleiben, dieser Araber– was gehe ihn die Küste an, dort habe er nichts zu sagen. In seinem Eifer und unter der Wirkung des klaren Kornschnapses verstieg sich der Großvater sogar zu der Behauptung, es seien natürlich wieder einmal die Briten, die sich hinter den Sultan gestellt hätten, um Deutschland auf dem afrikanischen Kontinent das Wasser abzugraben. Tante Fanny wurde blass, und die Großmutter bemühte sich geistesgegenwärtig, das Gespräch auf die lange Trockenheit und die zu erwartende schlechte Ernte zu lenken, doch George schien den Angriff auf sein Heimatland nicht übel zu nehmen. Stattdessen warf er zur größten Verblüffung des Großvaters die Frage ein, ob es überhaupt gerechtfertigt sei, fremde Völker unter den Schutz einer europäischen Nation zu stellen, sprich: Kolonien zu gründen. Gespannt verfolgte nun auch Charlotte das Gespräch, und zum ersten Mal war sie von dem jungen Engländer beeindruckt, der Dinge aussprach, über die auch sie oft nachgedacht hatte.
    » Gibt es einen Unterschied zwischen einer Eroberung und der Gründung einer Kolonie?«, fragte er mit provokantem Schmunzeln.
    » Aber ja, und zwar einen ganz gewaltigen, junger Aufrührer«, gab der Großvater zurück und goss sich noch ein Gläschen ein. » Gerade ein Brite sollte darüber Bescheid wissen. Es geht zunächst einmal darum, die Eingeborenen zum christlichen Glauben zu führen, das ist unsere vornehmste Pflicht…«
    » Gewiss. Aber dazu braucht man keine Kolonien, da reichen Missionsstationen.«
    » Aber lieber junger Freund! Sie wissen doch ebenso gut wie ich, dass die Arbeit der Missionare leider viel zu häufig an dem Widerstand der unwissenden Neger scheitert und viele mutige Christen dabei schon ihr Leben gelassen haben. Wenn wir die Seelen dieser armen Menschen retten und sie an den Segnungen unserer Kultur teilhaben lassen wollen, dann braucht diese Arbeit den militärischen Schutz der Nation.«
    » Vielleicht benötigen sie die Segnungen unserer Kultur ja gar nicht? Was wissen wir schon von den Eingeborenen im Herzen Afrikas? So gut wie nichts, wir kennen nicht einmal ihre Sprache.«
    Jetzt mischte sich auch Paul ins Gespräch ein. Unten am Tisch unterhielten sich die Mädchen über die neueste Art, sich das Haar aufzustecken– ein Thema, das ihn ziemlich wenig interessierte.
    » Das Kauderwelsch dieser Neger muss man nun wirklich nicht verstehen«, warf er grinsend ein. » Die plappern doch einfach nur so dahin.«
    » Da bist du im Irrtum«, widersprach George lächelnd. » Ich habe in England das Werk eines deutschen Afrikaforschers studiert, der sich mit den Sprachen der Eingeborenen beschäftigt hat. Diese Sprachen sind keineswegs simpel, sondern sehr komplex und verfügen über eine Vielfalt an Ausdrücken…«
    » Das war Heinrich Barth– nicht wahr?«, platzte Charlotte dazwischen. » Ich habe über ihn gelesen…«
    Die Augen des Großvaters richteten sich voller Erstaunen auf seine Enkelin, auch die Großmutter und Tante Fanny starrten sie an, in ihren Gesichtern spiegelte sich jedoch eher Entsetzen. Ein junges Mädchen mischte sich nicht in Männergespräche ein, in denen es um Politik ging.
    » Ja, richtig«, sagte George überrascht. » Hast du etwa sein Buch Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika gelesen? Oder seine Arbeit über die zentralafrikanischen Vokabularien?«
    Charlotte spürte, dass sie errötete, denn zum dritten Mal maßen sie nun die eindringlichen Augen des englischen Gastes. Dieses Mal mit ganz besonderer Neugier.
    » Leider nicht«, gab sie

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