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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Geld, aber er wollte, dass Charlotte ihm dabei half. Sie durfte die Tasten einzeln anschlagen, und er drehte mit dem Stimmschlüssel so lange an den Wirbeln, bis der Ton wieder richtig klang.
    » Stimmt es jetzt?«, fragte er sie jedes Mal.
    » Zu hoch. Sie müssen ihn wieder herunterschrauben. Nur sooo viel!«
    Sie zeigte es ihm mit Zeigefinger und Daumen und sah, wie er anfing zu grinsen. Sein Mund blieb dabei geschlossen, nur die Falten in seinem Gesicht wurden länger und tiefer. Er war schon ein Kauz, aber zugleich auch ein Fuchs, denn sie hatte den Verdacht, dass er nur fragte, um herauszufinden, ob sie die Töne richtig hören konnte.

» Jetzt kommt das Fis, das ist ganz böse verrutscht. Mehr… mehr… mehr… jetzt war’s zu viel. Ein bisschen zurück. Noch mehr… noch mehr… halt!«
    » Sehr gut, junge Dame!«
    Das Stimmen dauerte sehr lange, und Tante Fanny, die währenddessen am Fenster saß und nähte, seufzte immer wieder leise. Mal fiel ihr die Garnrolle hinunter, mal die Schere, aber sie wagte nicht, sich zu beschweren. Nur die Großmutter riss zweimal die Tür auf und fragte, ob das noch lange dauern würde, ihr Enkel müsse lateinische Vokabeln lernen, und ihm drehe sich der Kopf.
    Kantor Pfeiffer, so kauzig und schüchtern er auch daherkam, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen– nicht einmal von der Großmutter, die doch solch eine Respektsperson im Hause war. » Gut Ding will Weile haben«, erklärte er freundlich nickend.
    » Ihr Jüngster, der Gerhard, ist doch auch so für die Musik begabt«, sagte er. » Ich meine, Charlotte kommt nach ihm.«
    » Da sei Gott vor!«, versetzte die Großmutter und schlug die Türe wieder zu.

August 1885
    Nur selten im Hochsommer war der Himmel von einem so tiefen, dunklen Blau. An solchen Tagen schwammen dort oben Wolkengebilde wie weiße Schiffe auf einem stillen Meer, trieben ruhig über den weiten Ozean und verschwanden lautlos am Horizont. Wer mit ihnen reiste, der würde ferne Ufer erreichen, vor weißen Stränden ankern, an denen sich schlanke Palmen bogen. Vielleicht würde er an steilen Ufern vorbeigleiten, wo dichtes Pflanzenwerk helle Gebäude mit kleinen Säulen und Arkaden umgab; dahinter schichteten sich bläulich gefärbte Bergrücken, und über allem thronte der glitzernde Schneegipfel eines mächtigen…
    » Charlotte! Charlottääää! Großer Gott– wo bleibt sie denn wieder!«
    Wie ein flügelloser Vogel stürzte sie aus den Wolken auf das Rasenstück des großelterlichen Gartens herab, gleich neben dem grün gestrichenen Klapptisch, den Paul schon aufgestellt hatte, damit sie am Nachmittag mit den Gästen im Freien sitzen konnten.
    » Ich komme…«
    Missmutig ging sie hinüber zu den Beeten, in denen Grünkohl, Möhren und einige kleine Weißkohlköpfchen in Reih und Glied standen, und betrachtete die Petersilie. Viel Staat war nicht mehr damit zu machen; obgleich man sie gegossen hatte, waren die zarten Blättchen doch schlaff, viele auch gelb von der Augusthitze. Seufzend suchte sie die besten Pflänzchen heraus und schnitt sie ab, wobei ihr wieder einmal der schwere Zopf im Wege war, der prompt nach vorn fiel, wenn sie sich bückte.
    In der Küche herrschte hektische Aufregung. Tante Fanny stand über den Tisch gebeugt und schnitt das gekochte Pökelfleisch mit einem scharfen Messer in hauchdünne Scheiben, so dass sie fast aussahen, als wären sie aus Pergament. Die Tante trug noch ihr feines, dunkelblaues Kleid mit dem gehäkelten Spitzenkragen, das sie heute Morgen zum Kirchgang angelegt hatte, eine weiße Schürze schützte den teuren Stoff vor Fettspritzern. Charlotte hatte ihr in aller Frühe das Haar mit der Brennschere wellen und am Hinterkopf zu einem Knoten schlingen müssen, was ungewohnt aussah und sie noch ein wenig älter erscheinen ließ. Tante Fanny hatte in den vergangenen Jahren viele Falten bekommen, besonders um den Mund herum und auch am Hals.
    » Wasch die Petersilie, und hack sie fein– sie kommt über die Kartoffeln«, befahl die Großmutter, die zwei dampfende Töpfe am Herd bewachte. » Und richte den Salat an. In zwei Schüsseln.«
    Dicke Bohnen gab es dazu und eingelegten Kürbis, danach Puffert mit Beernstip. Der Großvater hatte sogar Wein besorgt, Heidelbeerwein hatten sie selbst, und Limonade war auch angesetzt worden. Kaffee und Krüppelkuchen würde man am Nachmittag im Garten servieren, und als Krönung gab es eine Torte, in die Tante Fanny Branntweinrosinen eingebacken hatte.
    Es war Charlotte

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