Himmel über dem Kilimandscharo
den Reisenden anschließen wollte, die auf die Gangway zusteuerten.
» Irgendwann muss es sein, Klara«, widersprach Christian verärgert. » Wir können schließlich nicht ewig auf dem Schiff bleiben, oder?«
Verzagt hakte sich Klara bei Charlotte unter, während Christian den Koffer trug. Die Ausschiffung der farbigen Mitreisenden verlief rascher, denn alle, auch die Frauen, bewegten sich mit einer Geschmeidigkeit, die Charlotte staunen ließ. Auf den Booten staute sich ihr Gepäck, und man drängte die Menschen so eng zusammen, dass zu befürchten stand, das Boot könne die Last nicht tragen und würde sinken.
» Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Charlotte wandte sich zu dem Mann um, der sie von hinten angesprochen hatte, in der Meinung, es sei einer der Matrosen. Doch zu ihrer Überraschung war es der blonde Reisende, der ihr mit seinem Sektglas zugeprostet hatte. Was hatte ihn aufgehalten? Die anderen Passagiere der oberen Klassen waren längst ausgeschifft.
» Sehr freundlich– aber ich glaube, wir kommen zurecht.«
Sein Lächeln erschien ihr angenehm, es war weder aufdringlich noch verfänglich, zeugte aber von einem unerschütterlichen Selbstvertrauen.
» Ich trage Ihre Schwester hinunter!«, schlug er vor. » Das dauert keine Minute und erspart Ihnen die Kletterei!«
Klara war zu keiner Antwort fähig. Es war für sie undenkbar, von einem völlig fremden Herrn angefasst oder gar getragen zu werden.
» Vertrauen Sie sich mir an, junge Frau?«, rief er vergnügt und machte eine kleine Verbeugung. » Sie sind in meinen Armen so sicher wie in Abrahams Schoß!«
Er schien ihr Schweigen für Zustimmung zu halten. Mit raschem Schwung hob er die völlig erstarrte Klara hoch, als sei sie ein leichtes Vöglein, und trug sie Richtung Ruderboote.
» Das ist doch… Wer ist das überhaupt?… Wie kommt er nur dazu?«, stotterte Christian überrumpelt.
Charlotte antwortete nicht, doch auch sie war nicht gerade erfreut über diese impulsive Aktion. Allerdings musste sie zugeben, dass der Fremde nicht zu viel versprochen hatte. Klara saß nun heil und sicher unten im Boot, während ihr Helfer das schwankende Gefährt mit seinem Körpergewicht ausbalancierte und offensichtlich darauf wartete, weitere Hilfe leisten zu dürfen.
Er nahm Christian, der als Nächster hinunterstieg, den Koffer ab, damit er leichter ins Boot klettern konnte, dann blinzelte er gegen die Sonne an der Bordwand empor. Charlotte, die nun ebenfalls die untere Plattform der Gangway erreicht hatte, verzichtete auf die Hilfe des Unbekannten und ergriff stattdessen die ausgestreckte Hand ihres Mannes.
Während die schwarzen Ruderer die kurze Strecke bis zum Landungssteg bewältigten, saß der blonde Helfer ihr gegenüber, die angewinkelten Ellenbogen auf die Knie gestützt. Er schien sich offenbar darüber klar zu werden, dass seine Hilfeleistung ein wenig übereilt gewesen war, und versuchte, den Schaden wiedergutzumachen.
» Ich habe mich nicht einmal vorgestellt– verzeihen Sie mir. Maximilian von Roden. Aus Brandenburg.«
Christian war rasch versöhnt, stellte sich, seine Frau und seine Schwägerin vor, erklärte, im Usambara-Gebirge eine Plantage anlegen zu wollen, und schwatzte davon, ein großes Geschäft in Ostfriesland geführt zu haben. Klara überwand ihren Schrecken und sprach ihren Dank aus. Charlotte nickte ihm nur kurz zu und starrte dann angestrengt zu der Stadt hinüber, der sie sich näherten. Als das Boot am Landungssteg festmachte, hatte Klara gleich mehrere Helfer zur Seite, auch die schwarzen Ruderer fassten zu, um sie auf den Steg zu heben. Charlotte musste hart um den Koffer kämpfen, den ein übereifriger Schwarzer an Land tragen wollte, erst als sie energisch wurde, ließ er die Last stehen und starrte die zornige Weiße so verständnislos an, dass ihr die lauten Worte schon wieder leidtaten.
Langsam ging sie an Klaras Seite über den hölzernen Steg. Unter ihnen schwappten die Wellen über den flachen Strand, vereinzelt war schwarzes, vom Wasser glatt geschliffenes Gestein zu sehen, Muscheln und Seetang. Als der Steg endete, setzten sie zögernd die Füße auf den sandigen Boden ihrer neuen Heimat. Er war feucht und von den Spuren der Menschen vor ihnen übersät, die meisten stammten von den nackten Füßen der einheimischen Träger, doch man sah auch die Abdrücke breiter Herrenschuhe, kantiger Stiefel und die Konturen von Damenschuhen, deren Absätze viereckige Löcher in den Sand gebohrt hatten.
Unter einer
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