Himmel über dem Kilimandscharo
Sorgen Sie am Abend dafür, dass keines dieser Biester darunter ist, und heben Sie das Netz in der Nacht auf keinen Fall an.«
» Gibt es viele Mücken hier in der Gegend?«, erkundigte sich Christian beklommen und ließ suchend den Blick über die hell getünchten Wände des Raumes gleiten.
» Nördlich und westlich der Stadt befinden sich Sumpfgebiete, eine großartige Brutstätte für diese Blutsauger. Haben Sie sich Chinin besorgt? Es ist das einzige Mittel gegen das Fieber, aber man wird davon schwindelig und fühlt sich wie zerschlagen.«
Charlotte hatte langsam genug. Sosehr sie seinen Schmerz um das gestorbene Kind nachempfinden konnte– es war deprimierend, diese beständigen Warnungen anzuhören. Es musste doch auch Europäer geben, die sich in diesem Land eingelebt hatten und die sich hier wohlfühlten!
» Sie sollten außerdem so schnell wie möglich bei der Gouvernementsverwaltung vorstellig werden«, fuhr Kunert fort, während er einige Papiere auf seinem Schreibtisch zusammenschob und in einer Schublade unterbrachte. » Gehen Sie zum Stadthaus, dort wird man Ihnen weiterhelfen. Und falls Sie tatsächlich beabsichtigen, eine Plantage anzulegen, dann empfehle ich Ihnen die Ostafrikanische Gesellschaft. Sie hat hier eine Niederlassung und unterstützt Pflanzer, die sich ansiedeln wollen.«
» Und was muss man tun, wenn man einen Laden eröffnen will?«, erkundigte sich Charlotte.
Der Postbeamte schüttelte den Kopf und seufzte über so viel Ahnungslosigkeit.
» Dieses Vorhaben sollten Sie so schnell wie möglich vergessen, Frau Ohlsen. Der Handel in Daressalam ist fest in den Händen der Inder und Araber. Sie bekommen ihre Waren über verschlungene Wege aus Sansibar und Indien oder schleppen das Zeug über Karawanenwege aus dem Landesinneren an die Küste– kein Deutscher hat es bisher geschafft, auf diesem Gebiet Fuß zu fassen.«
Damit verabschiedete er sich, erklärte, drüben in der telegraphischen Betriebsstelle zu tun zu haben, und ging hinaus auf den Flur, wo sie ihn Anweisungen erteilen hörten. Dabei benutzte er deutsche Worte, aber auch andere, die fremd klangen und die Charlotte schon auf dem Schiff gehört hatte.
» Suaheli«, sagte sie. » Wir müssen es lernen, damit wir uns verständigen können.«
» Ach was«, knurrte Christian missgelaunt. » Wir befinden uns in einer deutschen Kolonie, die Neger auf unser Plantage werden Deutsch reden, dafür sorge ich schon.«
» Du glaubst tatsächlich, man wird uns das Geld leihen, um eine Plantage anzulegen?«
» Natürlich. Mit dem Handel wird es sowieso nichts, Charlotte. Das hast du ja eben gehört.«
» Ich mag nicht alles glauben, was dieser Mann uns weismachen will!«
Christian stieß einen tiefen, ärgerlichen Seufzer aus und wollte etwas entgegnen, doch Klara verhinderte den aufkommenden Streit, indem sie ihn sanft am Arm fasste.
» Schauen wir erst einmal, dass wir in trockene Kleider kommen«, meinte sie. » Es ist sehr unangenehm in den feuchten Sachen.«
Sie waren froh über den Wandschirm, denn so konnten sie Anstand wahren, und Klara musste sich nicht vor Christian umkleiden. Die Sachen aus dem Koffer waren jedoch ebenfalls klamm, vermutlich würden sie sich während der Regenzeit an diesen Zustand gewöhnen müssen. Sie besaßen nur wenige Kleidungsstücke, die auf der Reise ohnehin schon gelitten hatten; auf dem Schiff hatten sie nur die Leibwäsche waschen können, an Plätten oder gar Stärken war nicht zu denken gewesen. Christian störte sich sehr an diesem Zustand, vor allem hätte er gern einen hellen Tropenanzug besessen, dazu einen Strohhut, weiße Lederschuhe und einen hübschen Binder.
» Wenn wir erst unsere Plantage haben, werden wir uns auch passende Kleidung anfertigen lassen, Charlotte. Es ist schon wegen des Klimas unabdingbar. Außerdem sollten wir Deutschen den Negern ein Vorbild sein.«
Es klopfte an der Tür, und ein schwarzhäutiger, junger Mann trat ein. Er trug eine weiße Kappe auf dem krausen, kurz geschnittenen Haar, und sein helles, bodenlanges Gewand war so sauber, als käme es eben gerade aus der Wäsche. Mit ernster Miene stellte er ein Tablett auf dem Schreibtisch ab, dann verzog er das Gesicht zu einem Lächeln, das seine prachtvollen, schneeweißen Zähne enthüllte, und verbeugte sich.
» Jambo, bwana, jambo bibi …«, sagte er. » Willkommen.«
Obgleich er sich heftig bemühte, die steife Haltung eines Dieners beizubehalten, lag doch eine kindliche Unbefangenheit in seinem
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