Himmel über dem Kilimandscharo
Hafen von Daressalam durchfuhr, war der Himmel über ihnen dunkel, gleißende Blitze durchzuckten die Wolken. Die Passage durch den breiten, natürlichen Kanal war wegen der Korallenriffe nicht ungefährlich, mehrfach stoppte die Maschine, man hörte die lauten Kommandorufe des Schiffsführers, und es kam den ungeduldig wartenden Reisenden wie eine Ewigkeit vor, bis sich endlich vor ihnen das weite Hafenbecken öffnete. Es war tatsächlich riesig, ringsum von reicher Vegetation bewachsen und durch die vorgelagerten Riffe vor Stürmen geschützt.
» Daressalam– der Hafen des Friedens«, sagte einer der jungen Männer, mit denen Christian seit ihrer Abfahrt aus Hamburg so gern Umgang pflegte.
In diesem Augenblick krachte über ihnen der Donner, und der regenschwangere Himmel entlud sich über Land und Hafenbucht. Oben auf den überdachten Seitendecks störte sich niemand an dem heftigen Tropengewitter, unten auf dem Vorderdeck jedoch rannte alles durcheinander, denn viele der Passagiere hatten schon ihr Gepäck hinausgetragen. Vor allem Sarah schimpfte lauthals und warf die schiffseigenen Decken über ihre Koffer und Hutschachteln, da sie fürchtete, ihre Hüte würden durch die Nässe Schaden nehmen. Charlotte, Christian und Klara drängten sich eng aneinander, als könnten sie auf diese Weise dem heftig herabprasselnden Regen trotzen.
Gemächlich bewegte sich der Dampfer auf die Stadt zu, die sich rechts der Hafeneinfahrt an der Küste ausbreitete. Sie sahen Palmen, die vom Unwetter geschüttelt wurden, dazwischen einige helle, neue Gebäude, nicht ganz so großartig wie der Gouverneurspalast, der schon vom Meer aus sichtbar gewesen war, aber dennoch solide im Vergleich zu den anderen Häusern, die eher einen verwahrlosten Eindruck machten. Aber das mochte an dem dichten Regen liegen, der den Blick und auch die Farben trübte.
» Da ist ein Landungssteg!«, rief Christian. » Ich glaube, wir halten genau darauf zu.«
» Gott sei Dank«, murmelte Charlotte.
Doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Der Dampfer bewegte sich zwar auf den Landungssteg zu, legte jedoch nicht dort an, sondern stoppte die Maschine in einiger Entfernung und ging vor Anker. Es sah ganz so aus, als müssten die Passagiere mit Booten zum Steg gebracht werden.
Klara schwieg, doch Charlotte sah ihr die aufsteigende Panik an. Wie sollte ihre Cousine, die sogar auf einer normalen Treppe Schwierigkeiten hatte, über die schmale, nur von zwei Handläufen gesicherte Gangway hinunter in das schwankende Boot gelangen?
» Wir gehen miteinander, Klara. Du hakst dich bei mir unter und hältst dich mit der anderen Hand am Handlauf fest!«
Vorerst geschah nichts, man wartete den tropischen Regenguss ab, der bekanntermaßen nie allzu lange andauerte. Als sich die Regenwolken verzogen hatten und die Feuchtigkeit in der Sonnenhitze als feiner Dunst emporstieg, begannen die Vorbereitungen für den Landgang. Jetzt, da die große Maschine nicht mehr dröhnte, vernahm man andere Geräusche, hörte das Gluckern und Plätschern der Wellen, die Befehle an die Matrosen, sogar die Anweisungen, die oben im Bereich der ersten und zweiten Klasse an die Bediensteten gerichtet waren.
» Schau, das Wasser im Hafen ist ganz ruhig!«, sagte Christian.
Charlotte blickte hinunter auf die spiegelnde Wasserfläche, die jetzt bei Sonnenschein von einem hellen Blau war, kleine Wellen blitzten auf wie funkelnde Glasscherben. Vom Land her näherten sich Ruderboote; darin saßen ausschließlich schwarzhäutige Männer, die sich mächtig in die Riemen legten, als gälte es, ein Wettrudern zu bestreiten. Als das erste der Boote an der inzwischen eingehängten und befestigten Gangway anlegte, schien es Charlotte jedoch, als schwanke das kleine Boot heftig auf und nieder.
Man ließ den anderen den Vortritt. Die meist männlichen Passagiere der oberen Klassen gelangten ohne Schwierigkeiten in die Ruderboote, einige schienen sogar Spaß daran zu haben, man hörte ihre Scherzworte und sah sie lachen. Die Frauen– fünf an der Zahl, zwei davon Bedienstete– stiegen ebenfalls mutig hinunter, sie wurden von hilfreichen Händen in Empfang genommen und auf einen Sitz geleitet. Sie machten ihre Sache gut– eigentlich war es nur die Kleidung, die bei solchen Unternehmungen lästig war: die enge Schnürung, die Röcke und die Schuhe, die für eine solche Kletterpartie nicht geeignet waren.
» Warten wir noch ein wenig«, bat Klara ängstlich, als Charlotte ihre Tasche ergriff und sich
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