Himmel über dem Kilimandscharo
Land fast umsonst geben würde.
» Es geht nicht nur um das Land, Christian. Wir müssten die Arbeiter bezahlen, die die Bäume roden und die Pflanzungen vorbereiten. Wir müssten die Pflanzen kaufen, für die Bewässerung sorgen, Gebäude errichten und was weiß ich noch alles…«
» Ach was! Die Neger arbeiten doch für ein paar Pfennige am Tag. Und Wasser gibt’s in den Bergen überall. Du siehst zu schwarz, mein Schatz. Wenn die erste Ernte verkauft ist, sind wir reich und können alle Schulden bezahlen…«
» Vielleicht…«
Sie hielt nicht viel davon. Selbst wenn die Gesellschaft bereit gewesen wäre, ihm einiges Geld vorzustrecken– er war gewiss nicht der Mann, der eine Plantage auf die Beine stellen konnte. Vermutlich glaubte er, auf einem bequemen Stuhl im Schatten sitzen und kühle Getränke schlürfen zu können, während die Schwarzen draußen in den Pflanzungen die Arbeiten erledigten. Sie verstanden doch beide nichts von der Landwirtschaft, sie waren Händler.
» Du wirst schon sehen, Charlotte«, meinte er lächelnd und schob sacht den Arm um ihre Taille, um sie näher zu sich heranzuziehen. » Es wird alles viel leichter sein, als du glaubst. Wir fangen ganz neu an, wir beide zusammen, Seite an Seite. Und dieses Mal werde ich dich nicht enttäuschen!«
Sie ertrug seine Annäherung, wollte ihn nicht erneut zurückweisen. Möglich, dass er es ernst meinte. Ja, ganz sicher war es ihm ernst. Aber ebenso sicher war auch, dass sie sich nicht auf ihn verlassen konnte. Mit dem wenigen Geld, das sie gerettet hatte, wollte sie tun, was sie selbst für richtig hielt.
Mitte April hatten sie den Hafen von Aden verlassen, einen öden Ort, von schwarzgrauem Fels umschlossen, wo nur wenige, gelbliche Häuser in flirrender Hitze ausharrten. Kein Baum, kein Strauch, nichts als kahles, zerklüftetes Gebirge, schwarz, von stahlblauen Wellen umspült, grandios wie eine Landschaft vor Anbeginn der Welt und zugleich beängstigend und feindselig.
In der Nacht, als der Dampfer im Hafen von Aden lag, hatte Charlotte kein Auge zugetan. Zum ersten Mal auf dieser Reise empfand sie tiefe Zweifel an dem, was sie beschlossen und so energisch in die Tat umgesetzt hatte. Die Natur neigte sich nicht überall dem Menschen zu, um ihn zu nähren und zu kleiden. In diesem feindseligen, schwarzen Fels, der die Sonnenglut des Tages in sich aufgesogen hatte, gab es keine Chance auf Leben. Dort wartete der Tod, dem George in der Wüste so fasziniert ins Auge gesehen hatte und dem er nur mit knapper Not entgangen war. Sie war nicht George, sie suchte nicht die Grenzen des menschlichen Daseins, sie wollte einen Ort finden, an dem sie leben konnte, ein Haus, einen grünen Palmenhain, ein Fenster, das aufs Meer hinausging. Und das Gleiche wollte sie für Klara und Christian. War das denn zu viel verlangt? Hatte sie leichtfertig gehandelt? Was würde aus ihnen werden, sollte es ihr nicht gelingen, in der Fremde ihr Auskommen zu finden?
Tage später, als der Dampfer an der afrikanischen Ostküste entlangfuhr, waren all ihre Ängste verflogen. Begeisterung herrschte an Bord, sie stand zwischen Christian und Klara an der Reling, eingeklemmt zwischen den schwatzenden, gestikulierenden, lachenden Passagieren jeglicher Hautfarbe und starrte voller Entzücken auf die vorüberziehenden Ufer.
Palmen und Akazien reckten sich dort gegen den tiefblauen Himmel, die filigranen Zweige, sacht vom Wind bewegt, bildeten dichte, grüne Haine, sprachen vom Zauber eines fruchtbaren Küstenlandes. Zum Strand hin fiel das Land in einer steilen Böschung ab, doch auch dieser Abhang zeigte sich nur hier und da als dunkles Riffgestein, viel öfter war er von dichter grüner Vegetation bewachsen. Sanft leckten die Meereswellen den weißen Strand, wo kleine Fischerboote im Sand lagen und schwarze Kinder im seichten Wasser spielten. Ab und zu waren erwachsene Männer in langen, hellen Gewändern mit fremdartigen Kopfbedeckungen zu sehen, die dort irgendetwas vom Boden aufsammelten.
Auch auf dem Oberdeck hatten sich die Reisenden an der Reling versammelt, man konnte sehen, dass sie Sektgläser in den Händen hielten und miteinander anstießen. Welchen Toast sie ausgebracht hatten, war wegen des Dröhnens der Maschine nicht zu hören, doch es war nicht schwer zu erraten.
» Tanga! Tanga!«
Der Name des Küstenortes schwirrte über das Vorderdeck. Auch wenn man sonst kein einziges Wort aus den Gesprächen der farbigen Mitreisenden verstand– dort, bei der weit
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