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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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einsamen Palme blieben sie stehen. Christian setzte den Koffer ab, und sie betrachteten unsicher das deutsche Hafenamt, zu dem eine steinerne Treppe hinaufführte. Es war ein lang gezogenes, hell getünchtes Gebäude von eigenartiger Bauart, eine Mischung aus altgewohnter, heimatlicher Architektur und orientalischen Formen. Deutsch wirkten auf jeden Fall die viereckigen Türmchen mit den spitzen Dächern, doch die verschnörkelt geschnitzte Türeinfassung kam ihnen sehr afrikanisch vor.
    » Da sind wir nun«, sagte Christian schnaufend und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm der Palme. » Und was jetzt?«
    Die Frage war berechtigt. Die Passagiere der Bundesrath waren längst im Stadtinneren verschwunden, auch Maximilian von Roden war nicht mehr zu sehen. Dafür eilten eingeborene Träger an ihnen vorüber, die auf ihren Köpfen dicke Bündel und Säcke die Treppe hinauf zum Hafengebäude schleppten. Sie schauten die beiden weißen Frauen und ihren Begleiter mit neugierigen Augen an, doch keiner von ihnen kümmerte sich weiter um die neu angekommenen Europäer. Indes verdunkelte sich der Himmel über ihnen in der Absicht, einen weiteren Regenguss tropischen Ausmaßes auf die Bucht des Friedens herabzuschütten.

» Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    Es klang nicht eben freundlich, der Ton war eher dienstlich und ein wenig ungehalten. Ein weiß gekleideter Mann war aus einem der Boote gestiegen und kam auf sie zu. Ein Offizier? Bunte Achselstücke mit dem Reichsadler schmückten seine Schultern, und er trug eine weiße Mütze mit schwarzem Schirm. Ein Beamter? Egal– es war ein weißer Einwohner dieser Stadt, und er sprach deutsch.
    » Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen«, gab Christian zurück. » Wir sind gerade angekommen und kennen uns nicht aus.«
    Der andere maß sie mit abschätzendem Blick, der auf Charlotte ein wenig länger ruhte. Sein Gesicht war sonnengebräunt, die Wangen voll, der Mund unter dem dunkelblonden Schnurrbart schmal zusammengezogen.
    » Sie sind Deutsche?«
    » Allerdings. Aus Hamburg. Mein Name ist Ohlsen, das sind meine Frau und meine Schwägerin…«
    » Willkommen. Ich bin Erwin Kunert, Bezirksamtmann der Kaiserlich Deutschen Post. Wenn Sie eine Bleibe suchen, kann ich Ihnen das Afrika-Hotel empfehlen. Ich besorge Ihnen eine Rikscha, das ist das einfachste Transportmittel hierzulande…«
    » Das wäre ganz reizend…«, begann Christian mit großer Erleichterung, doch Charlotte unterbrach ihn.
    » Verzeihung, aber wir suchen kein Hotel, sondern eine einfache Unterkunft. Unsere Mittel sind leider begrenzt.«
    Der Postbeamte wandte sich rasch zur Seite, um einem schwarzen Träger ein paar Worte in einer unverständlichen Sprache zuzurufen, dann nahm er für einen Moment die Mütze ab. Darunter war er fast kahlköpfig, nur ein dünner, kurz geschnittener Haarkranz umgab seinen Schädel.
    » Ich verstehe«, sagte er leise. » Das wird nicht einfach werden. Auch hierzulande kostet das Leben Geld, Frau Ohlsen. Geschenkt bekommt man nur selten etwas.«
    » Wir werden schon zurechtkommen«, meinte Charlotte zuversichtlich. » Nur für den Anfang müssen wir nicht gleich in einem Hotel wohnen. Gibt es keine andere Möglichkeit?«
    Erwin Kunert stieß heftig den Atem aus und verharrte einen Augenblick unschlüssig. Dann entschied der Himmel über ihr Schicksal, der ihnen zwischen Blitz und Donner einen gewaltigen Sturzregen sandte.
    » Kommen Sie mit. Ich bringe Sie vorerst im Postgebäude unter. Das geht aber höchstens für ein, zwei Tage. Ich kann Sie ja schließlich nicht im Regen herumirren lassen…«
    Nass waren sie sowieso, und als sie jetzt die Treppe zum Hafengebäude hinaufstiegen, um Schutz vor den Wassermassen zu suchen, wurden sie zum zweiten Mal durchweicht. Beklommen standen sie im Flur herum, drückten sich gegen die Wände, um schwarzen Angestellten auszuweichen, die zwischen den Büros und der großen Lagerhalle hin- und herliefen. Der Dampfer hatte Waren aus Deutschland an Bord gehabt, deren Vollständigkeit und Unversehrtheit anscheinend genau überprüft werden musste. Durch das Rauschen und Trommeln des Regens hindurch vernahmen sie die knappen Befehlsrufe der weißen Beamten, Türen klappten auf und zu, und für einen kleinen Moment sahen sie einen der Schiffsoffiziere, der in einem Büroraum saß und seelenruhig die Beine ausstreckte.
    Charlotte wandte den Blick wieder der offen stehenden Eingangspforte zu. Der Regen fiel so dicht, dass Himmel, Wasser und

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