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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Küstenlinie in einem feinen Dunst lagen und kaum voneinander zu unterscheiden waren. Charlotte atmete tief ein und spürte, wie diese feuchte Wärme sie belebte, als sei sie etwas lang Vertrautes, das sie nun wiedergefunden hatte. Der Duft der Erde lag darin, fahl, süß und voll fremder Würze, ein erregender Geruch nach sprießenden Pflanzen und sich entfaltenden Blüten.
    » Was für ein Wetter!«, stöhnte Christian und schüttelte seinen Hut aus.
    » Sie sollten sich rasch daran gewöhnen, sonst ist dies kein Ort für Sie«, bemerkte Kunert. » Meine Frau und ich werden Daressalam in wenigen Tagen verlassen und mit der Bundesrath nach Deutschland zurückfahren.«
    » Ach ja?«, fragte Christian betreten.
    Sie schwiegen eine kleine Weile. In einem der Büros erhob sich ein Wortgefecht, und sie konnten den rauen Ton eines deutschen Beamten und die sanfte, beredte Sprechweise eines Orientalen unterscheiden, der ganz offensichtlich als Bittsteller auftrat. Verstehen konnten sie kein einziges Wort.
    » Wir haben unser erstes Kind hier begraben müssen«, sagte Kunert unvermittelt, als müsse er ihnen seine Abreise erklären. » Ein Fieber. Viele Säuglinge sterben hier am Fieber.«
    Betroffen sah Charlotte die Trauer in seinen Augen, und zugleich stieg die Erinnerung an jene schreckliche Sturmnacht in Leer wieder in ihr auf, als das kleine Wesen, das in ihr gelebt hatte, sie so plötzlich verließ. Großes Mitgefühl erfasste sie.
    » Das tut mir unendlich leid«, sagte sie leise.
    Seine Züge wurden verkniffen, ganz offensichtlich wollte er nicht bemitleidet werden, vermutlich bereute er seine Eröffnung schon.
    » Ich sagte das nicht, um Sie zu erschrecken. Es ist nur einfach eine Tatsache, über die man nicht hinwegsehen sollte.«
    » Natürlich. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Herr Kunert.«
    Der Regen hatte nachgelassen. Die vier verließen das schützende Hafengebäude und gingen stadteinwärts. Die Straßen waren breit, rechts und links floss das Regenwasser in gelblichen, brodelnden Rinnsalen zum Hafen hinunter, der Boden war aufgeweicht, und Klara musste sich vorsehen, nicht auszugleiten. Hier und da sah man fertige, neue Gebäude, klobig, mit säulengestützten Vordächern und überdachten Balkonen, die mit orientalisch anmutendem Schnitzwerk verziert waren. An anderen Stellen lagen Steine und Baumaterialien herum, schwarze Arbeiter, nur mit kurzen Hosen bekleidet, krochen unter aufgespannten Planen hervor, unter denen sie den Regenguss abgewartet hatten.
    Das Postamt von Daressalam erschien ihnen einschüchternd groß. Klappläden mit Lamellen verschlossen die Fenster im Erdgeschoss, rings um den ersten Stock zog sich ein hölzerner Balkon, das flache Dach wurde von einer weißen, sonderbar gezackten Holzschnitzerei getragen, die das Gebäude aus der Entfernung wie eine viereckige Sahnetorte wirken ließ. Über der Eingangstür prangte das Emblem der Kaiserlich Deutschen Post.
    Kühle empfing sie, als sie eintraten, ein schwarzer Angestellter in einer hellen, halblangen Hose und weißem Hemd wischte den Flur, es roch nach Holz, Stein und deutscher Sauberkeit. Kunert führte sie in einen hohen, nicht allzu großen Raum, den er als sein Büro bezeichnete, das er jedoch nur tagsüber nutzte, denn die Post stellte ihren Beamten eigene Wohnungen zur Verfügung.
    » Das wäre für die Damen. Für Sie, Herr Ohlsen, werde ich ein Feldbett in einem Nebenraum aufschlagen lassen. Nur provisorisch, versteht sich. Gewiss werden Sie bald eine andere Unterkunft finden…«
    » Wir sind Ihnen wirklich sehr dankbar…«
    Das Erste, worauf Charlottes Blick fiel, war eine Wanduhr aus braunem Holz, ein vertrauter Anblick – im Arbeitszimmer des Großvaters hatte genau die gleiche gehangen. Ein länglicher Kasten, mit geschnitztem Eichenlaub und kleinen Giebelchen verziert, durch den Glaseinsatz sah man das helle, runde Zifferblatt und das goldene Uhrpendel, das gemächlich hin- und herschwang. Über dem braunen Holzregal, das viele kleine Fächer zur Ablage von Dokumenten aufwies, hing ein gerahmtes Bild von Kaiser Wilhelm II . Herr Kunerts Schreibtisch war mit Papieren, Federhalter, Tintenfass, Löschroller und allerlei anderem Bürokram bedeckt, davor stand ein kleines Schreibpult, das völlig leer war, dazu mehrere Stühle. Hinter einem Wandschirm war das Bett verborgen, darüber befand sich eine Konstruktion aus Metallstangen, die ein feines Netz trugen.
    » Gegen die verdammten Mücken«, erklärte Kunert. »

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