Himmel über dem Kilimandscharo
stillgestanden!«
Die Männer folgten seinem Befehl. Fasziniert starrte Charlotte auf diese seltsame Truppe aus sehnigen jungen Afrikanern, die man in Uniformjacken aus Khakistoff mit roten Aufschlägen und Achselstücken gesteckt hatte, dazu trugen sie kurze Hosen. Einige waren mit Mützen ausgestattet, andere hatten sich rote Tücher auf malerische Weise um die Köpfe gebunden, alle waren jedoch mit Dolchen und Schusswaffen ausgerüstet.
» Askari«, erklärte Christian. » Die Soldaten in der Kolonie sind alles Neger. Habt ihr gehört, wie gut sie deutsch reden?«
Gleich darauf traten zwei deutsche Offiziere in Reiterkleidung aus dem Stadthaus, ließen sich von dem schwarzen Diener die Pferde herbeiführen und saßen auf. In raschem Trab ritten sie davon, gefolgt von den Askari, die nun ebenfalls traben mussten, um mit den Reitern Schritt zu halten.
» Das waren bestimmt sehr hohe Offiziere«, vermutete Christian. » Vielleicht sogar der Gouverneur selbst. Wie schade, dass er fortgeritten ist, wir hätten uns gleich mit ihm bekannt machen können.«
Hinter der malerischen Arkadenreihe befanden sich die üblichen rechteckigen, hohen Fenster, über der zweiflügeligen Eingangspforte hatte man ein Relief des Deutschen Reichsadlers angebracht, der sich hier ein wenig fremd, aber dennoch sehr eindrucksvoll ausnahm. Im Flur standen mehrere Stühle und ein kleiner Tisch, auf dem eine große Muschel lag, die offensichtlich als Aschenbecher benutzt wurde. Zwei Afrikaner– ein weißhaariger, magerer Alter im zerschlissenen Kittel und ein junger Bursche mit tätowierten Wangen– hockten gleichmütig auf dem gefliesten Boden und schienen auf irgendetwas zu warten. Auf einem der Stühle saß ein graubärtiger Mann, der einen umständlich gewickelten Turban trug, dazu eine gelbe, geknöpfte Jacke und eine halblange, bauschige Hose. Er lächelte sie an, als sie an ihm vorübergingen. Als Charlotte seinem Blick begegnete, erschrak sie: In den mandelförmigen, braunen Augen des Fremden funkelte es für einen kleinen Moment golden.
Christian hatte inzwischen an eine Tür geklopft und die Aufforderung erhalten, einzutreten. Wie seltsam– deutsche Amtsstuben ähnelten einander wie ein Ei dem anderen, ganz gleich, ob sie sich in Ostfriesland oder in einer Kolonie in Afrika befanden. Überall gab es düstere Aktenschränke, Schreibtische mit gedrechselten Beinen, Stapel von Akten und Papieren und das gerahmte Bild des Kaisers an der Wand. Einige faustgroße, braun-weiß gesprenkelte Muscheln auf dem Fensterbrett und eine rosige Koralle auf dem Schreibtisch wirkten in dieser Umgebung wie Souvenirs, die sich der Beamte von einer Reise mitgebracht hatte.
» Ich habe Sie schon erwartet– Herr Ohlsen, nicht wahr? Seien Sie herzlich willkommen. Meine Damen, ich freue mich ganz besonders. Gottfried Ebert, zu Ihren Diensten. Die holde Weiblichkeit ist ja hierzulande noch ein wenig schwach vertreten. Vorläufig. Das wird sich natürlich bald ändern…«
Der deutsche Beamte war breit gebaut und hatte einen Stiernacken, doch er schien ein Gemütsmensch zu sein– seine Freude, drei Landsleute in der Fremde zu begrüßen, wirkte herzlich und echt.
» Sie… Sie haben uns erwartet?«
» Freilich«, schmunzelte er. » Ein guter Bekannter, der Herr von Roden, war vorhin bei mir, um einige Formalitäten zu regeln, und er hat die Gelegenheit genutzt, Sie mir wärmstens ans Herz zu legen.«
» Ach ja?«, stammelte Christian verblüfft. » Nun, das war… sehr freundlich von ihm.«
» Aber nehmen Sie doch Platz, meine Herrschaften. Mtumi! Mtumi! Wo steckt der Faulpelz? Mtumi!«
Er klatschte in die Hände. Gleich darauf erschien ein schwarzer Diener mit einem Tablett, auf dem vier Gläser und zwei Flaschen standen, die eine aus braunem Glas, die andere weiß.
» Für mich bitte nicht«, ließ sich Klara erschrocken vernehmen, auch Charlotte wehrte ab.
» Nun, Sie werden sich ohne Zweifel bald daran gewöhnen, meine Damen. Whisky oder ein guter Weinbrand sind kein Alkohol, sondern Medizin. Wir nehmen dieses Medikament täglich ein, um dem Klima und der afrikanischen Mentalität zu trotzen. Einen winzigen Begrüßungsschluck dürfen Sie mir nicht verweigern.«
Charlotte gab nach und nippte an dem scharfen Getränk, das weitaus besser roch, als es schmeckte. Klara benetzte nur die Lippen, Christian hingegen ließ sich nicht lange bitten, trank in genüsslichen Schlucken und lobte die Marke überschwänglich.
» Ja, der Baron Max von
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