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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Glückskind, wissen Sie das nicht?«
    »Ihr Glück wäre, wenn sich diese Unruhen um uns her in Luft auflösten. Dann, verehrter Freund, hätten Sie die Chance, ein Glückskind zu bleiben.« Willmann verbeugte sich, drückte der verdutzten Demy sein geleertes Glas in die Hand und wechselte mit festen Schritten hinüber zum älteren Meindorff und den anderen diskutierenden Männern.
    Auch Adalbert reichte ihr sein leeres Kristallglas, ohne sie eines Blickes zu würdigen, was Josephs Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Er musterte sie mit gerunzelter Stirn, wobei seine Augen lange auf den nackten Zehen verweilten, die zu Demys Kummer frech unter ihrem Rocksaum hervorschauten.
    »Was zum Henker treibst du hier?«
    »Entschuldigen Sie bitte, Cousin Joseph. Mein Vater ist verstorben, und ich wollte darum bitten, nach Koudekerke reisen zu dürfen, damit ich nach den Kindern sehen kann.«
    »Noch so eine reiselustige van Campen? Auf keinen Fall, junge Dame«, zischte er halblaut. »Wie wichtig die Fortsetzung deiner Ausbildung ist, zeigt dein heutiges Auftreten. Ich will nie mehr mit ansehen, wie eine in unserem Haus lebende Person ohne Schuhe vor eine Männergesellschaft tritt. Was sollen die Herren denken?«
    In Demys Augen schimmerten Tränen der Verzweiflung und der Wut. Ihr Vater war tot und diesen Mann berührte das nicht im Geringsten. Er verstand nicht einmal, wie dringend sie zu ihren jüngeren Geschwistern reisen musste.
    »Meine Güte!«, stieß Meindorff grimmig aus. »Ebenso nahe am Wasser gebaut wie die ältere Schwester, ja? Und dabei nahm ich an, du hättest etwas mehr Biss.«
    Demy schluckte schwer. Die Kälte, die von diesem Mann ausging, ließ sie schaudern. »Tilla hat mir ein Telegramm geschickt. Sie wird von Paris zurück in euer niederländisches Nest fahren und sich um die Angelegenheit kümmern. Das genügt doch wohl!?« Im Weggehen hörte Demy ihn noch murmeln: »Fehlt nur noch, dass sie uns die anderen Bälger auch ins Haus bringt.«
    Mit einer herrischen Handbewegung winkte Joseph Maria herbei, die Demy die Gläser abnahm. »Fräulein van Campen, wenn Männer zu Gast sind und über Politik und die Geschäfte diskutieren, dürfen Sie die Herren nicht mit Ihren privaten Kümmernissen behelligen.« Mütterlich und beschwichtigend legte ihr Maria die Hand auf den Arm.
    Demy tastete mit der Hand nach der Türklinke und stahl sich davon. Mit bleischweren Schritten nahm sie die Treppe in Angriff. Für sie stand außer Frage, dass Tilla Rika und Feddo in ihr neues Zuhause bringen würde. Als die einzige erwachsene van Campen war sie nun für die Kleinen verantwortlich.
    Aber die Kinder würden im Hause Meindorff nicht gern gesehen sein, dessen war Demy sich bewusst. Im Gegensatz zu ihr konnten sie nicht einmal eine Aufgabe im Haushalt übernehmen. Es brauchte nicht viel Fantasie, um weitere Komplikationen in ihrer aller Leben vorauszusehen. Doch was sollte sonst mit den Kindern geschehen, zumal zu befürchten stand, dass durch Erik van Campens verfrühten Tod die wahren finanziellen Verhältnisse – oder vielmehr das finanzielle Desaster – der Familie offenbar wurde?
    Für einen Moment schlich sich bei Demy ein winziger Hoffnungsschimmer ein, nämlich der, dass Meindorff sicher nicht noch einen Sohn mit einer mittellosen van Campen verheiraten würde. Allerdings traute sie Tilla inzwischen zu, irgendein Täuschungsmanöver in der Hinterhand zu haben, um die ganze Lage weiterhin zu verschleiern.
    Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke, und sie hielt mit der Hand auf der Türklinke inne. Sie hatte kein Zuhause mehr! Jede Chance, eines Tages nach Koudekerke zurückzukehren, war verloren – und damit auch ihre letzte Fluchtmöglichkeit, trieb Meindorff die Hochzeitspläne weiter voran.
    Demy warf sich auf ihr Bett, wo sie zuvor schon ihrer Verzweiflung freien Lauf gelassen hatte. Das Gefühl, hilflos in der Falle zu sitzen, verursachte einen beißenden Schmerz in ihrem Inneren und ließ sie heftig erzittern.
    Viel später, als endlich die Tränen versiegt waren, wandte sie den Kopf und blickte zur Balkontür hinüber. Ein Streifen goldenen Sonnenlichts fiel durchs Fenster und ergoss sich über ihr Bett. Als habe Gott seine liebevolle, fürsorgliche Hand tröstend auf ihren Rücken gelegt, durchdrang sie dort wohltuende Wärme, doch der Trost kam in ihrem aufgewühlten Herzen nicht an.
    Blieb ihr nun wirklich keine Wahl, als Hannes zu heiraten, ja musste sie gar Erleichterung über diese Abmachung

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