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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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was in einem traditionell geführten preußischen Haus von ihr erwartet wurde?
    Maria hatte ihr zögernd und sichtlich unangenehm berührt erklärt, dass sie aufgrund ihrer Aufgabe eine Sonderstellung innehatte. Ein freundschaftlicher Umgang mit den Angestellten des Haushalts blieb ihr untersagt, dasselbe galt aber im Grunde auch für die Familie. Durch ihre Beziehung zur neuen Hausherrin und auf deren ausdrücklichen Wunsch hin war es ihr erlaubt, an den Mahlzeiten und Veranstaltungen der Familie teilzunehmen und mit Bekannten ihrer Schwester Kontakte zu knüpfen.
    Bedrückt schob Demy das Frühstückstablett von sich und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Verbindungen zum Bekanntenkreis Ihrer Schwester sind Ihnen erlaubt«, wiederholte sie leise Marias Worte. Die Haushälterin schien zu denken, dass dies ein außergewöhnliches Vorrecht sei, würde Demy doch dadurch der Einsamkeit entkommen, die viele Angestellten in ihrer Position erlebten. Dessen war sich das Mädchen jedoch nicht so sicher, zumal Tilla in Berlin keine einzige Freundin hatte. Und überhaupt: Welches Recht besaß Rittmeister Meindorff, ihr vorzuschreiben, mit wem sie sprechen durfte?
    Trotz regte sich in ihr und trieb sie auf die Beine. Offenbar war ihre Anwesenheit im Haus nicht nötig, sie wurde von niemandem und zu nichts gebraucht, weshalb sie einen schrecklich langweiligen Tag vor sich liegen sah.
    Tatendurstig schlüpfte sie in ihre bequemen, noch aus den Niederlanden stammenden Stiefel, griff nach einem leichten, knöchellangen Mantel und schickte sich an, ihre Kammer zu verlassen. Im letzten Moment erinnerte sie sich an einen ihrer neuen Hüte und holte den zum hellblauen Kleid passenden runden Strohhut aus dem Schrank. Zwei bauschige Federn fielen über seinen Rand und kitzelten sie am linken Ohr. Die ungewohnte Aufmachung ließ sie vornehm und wesentlich älter aussehen, als sie tatsächlich war, wie ihr ein Blick in den Spiegel verriet. Schulterzuckend trat sie zurück, lief die Stufen hinunter ins Foyer und verließ das Haus. Sie eilte über den Vorplatz, verließ durch die offen stehenden schmiedeeisernen Torflügel das Grundstück und wandte sich dem in einiger Entfernung aufragenden Turm von Schloss Charlottenburg zu.
    Schon bald gelangte sie in einen wunderschön gestalteten Park, der sie mit seinen Teichen, Inseln, Wasserläufen und Brücken ebenso begeisterte wie die sanft gurgelnde Spree, die den Schlosspark im Osten begrenzte.
    Von plötzlichem Heimweh überwältigt betrachtete sie den Garten, schlenderte dann zum Karpfenteich und umrundete ihn. Als sie ein ovales dreistöckiges Gebäude mit rechteckigen Anbauten entdeckte, blieb sie stehen und bestaunte die wunderschöne schlichte weiße Fassade. Diese Stadt brachte also nicht nur säulen- und stucküberladene Prunkbauten, sondern auch hübsche Schmuckkästchen hervor.
    Fröhliche Kinderstimmen erregten Demys Aufmerksamkeit. Sie drehte sich um und sah ein Mädchen, etwas älter als sie selbst, mit einer Schar jüngerer Kinder über die Parkwege gehen. Ihr Ziel war unverkennbar der Karpfenteich. Kaum, dass sie ihn erreicht hatten, zogen zwei Jungen, die sich erstaunlich ähnlich sahen, ihre Schuhe und Strümpfe aus, warfen sie auf die Wiese und wateten in ihren Kniebundhosen in das kalte Wasser. Drei Mädchen begannen Kieselsteine zu sammeln, und das sie begleitende Fräulein setzte sich ins Gras bei der Brücke.
    Demy zögerte. Sollte sie weitergehen und erkunden, was am anderen Ende des Parks auf sie wartete, oder hier verweilen und den Kindern beim Spielen zuschauen? Die fröhliche Schar erinnerte sie schmerzlich an Feddo und Rika.
    Der Tag war noch jung, und Demy beschloss, dass ihr genügend Zeit für weitere Erkundungen blieb. Also raffte sie ihr knöchellanges Kleid leicht an und schritt zwischen den Birken und leise im Wind raschelnden Binsen hindurch, um sich ebenfalls der Fußgängerbrücke und dem Teich zu nähern.
    Das junge Fräulein hörte sie kommen, hob den Kopf und sprang dann plötzlich auf. Zu Demys Verwunderung knickste sie leicht und sah sie nicht einmal an, als sie die Kinder zu sich rief.
    Mit einem Blick in die ängstlichen Augen hob Demy abwehrend die Hand, während die Kinder sich schutzsuchend um ihre Betreuerin sammelten.
    »Entschuldigung, ich wollte euch nicht stören«, stammelte sie irritiert über das verschreckte Verhalten der Kinder, wobei ihr niederländischer Akzent stärker zum Vorschein kam als üblich.
    Einer der Zwillingsjungen legte

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