Himmel ueber fremdem Land
fand sich dem Hausherrn gegenüber, der ihre aufgelöste Frisur, den zerknitterten Rock und das gackernde Huhn in ihren Händen mit einem langen missbilligenden Blick betrachtete.
Meindorff winkte mit einer knappen Kopfbewegung den zweiten Fänger herbei und der Bursche beeilte sich, seiner Komplizin die Beute aus der Hand zu nehmen und gemeinsam mit den anderen schleunigst in die Küche zu flüchten.
Nur Maria, Philippe und Hannes blieben mit dem Mädchen zurück, das ihnen nun den Rücken zukehrte.
»Dem Koch war das Huhn entwischt«, stammelte Demy, und Philippe konnte nur ahnen, wie eingeschüchtert sie sich jetzt fühlte; immerhin war sein Ziehvater eine durch und durch imposante Erscheinung.
»Das ist kein Grund, sich wie eine Bauernmagd aufzuführen!«
»Nein, Herr Rittmeister.«
Philippes Bedauern wandelte sich in Bewunderung, klang die Antwort des Kindes doch vielmehr fragend als kleinlaut. Außer ihm selbst hatte es in diesem Haus noch niemand gewagt, dem Patriarchen die Stirn zu bieten.
»Was tust du überhaupt hier? Du hast in diesem Teil des Hauses nichts verloren. Schon gar nicht in der Küche.«
»Entschuldigen Sie bitte, Herr Rittmeister, das hat mir niemand gesagt.«
Sowohl Hannes als auch Maria reagierten peinlich berührt, während Philippe über die ehrliche, wenn auch unpassende Antwort von Demy anerkennend lächelte. Ihre Natürlichkeit und ihr eiserner Wille, die sie bei der Jagd auf das Huhn bewiesen hatte, empfand er ebenso wie ihre naive Ehrlichkeit als ausgesprochen erfrischend.
Meindorffs Miene verdüsterte sich weiter, allerdings hatte er sich tadellos im Griff. Er hob den Kopf und sein Blick wanderte von Hannes zu Philippe und schließlich zu Maria. »Degenhardt, führen Sie Fräulein van Campen in ihr Zimmer, möglichst ohne dass sie in diesem Zustand von einem Gast gesehen wird, und erklären Sie ihr in aller Deutlichkeit, dass sie mit den Angestellten des Hauses keinen Kontakt zu pflegen hat. Wenn sie etwas benötigt, soll sie sich an Sie oder an Henny wenden. Die junge Frau Meindorff hat mich ausdrücklich darum gebeten, ihr als Anverwandte gewisse Privilegien zuzugestehen, daher ist ihr der Kontakt zu meiner Familie weiterhin gestattet.«
Philippes Ziehvater war deutlich anzumerken, wie sehr ihm diese Vereinbarung missfiel. Nun bedauerte der Leutnant die Kleine wirklich. Was mochten Demys Vater und ihre Schwester bewogen haben, das Mädchen in eine so missliche Lage zu manövrieren? Eigentlich sollte sie noch die Schulbank drücken und sich mit ihren Nachbarbuben streiten.
Maria berührte Demy sanft am Ellenbogen, damit sie ihr folgte, und die beiden verschwanden wortlos in dem schmalen Treppenhaus.
»Hannes, Philippe, ich hoffe, ihr seid an diesem Schabernack nicht beteiligt gewesen.«
»Lediglich als amüsierte Zuschauer«, erwiderte Hannes, während Philippe einwandte: »Denken Sie nicht, Herr Rittmeister, dass Sie mit der Kleinen zu hart ins Gericht gegangen sind?«
»Von dir war wohl nichts anderes als Sympathie für diesen Unsinn zu erwarten. Die Kleine , wie du sie titulierst, ist die Schwester einer Meindorff und hat als diese, wie auch in ihrer Rolle als Gesellschafterin, den Ruf unseres Hauses zu wahren. Jegliches ungebührliche Verhalten ist ihr strikt untersagt. Es genügt, dass du dem Namen Meindorff einen irreparablen Schaden zugefügt hast. Ich dulde keine zweite sich skandalös verhaltende Person in diesem Hause!« Mit diesen Worten drehte der Rittmeister sich um und verließ den Seitenflügel seines Hauses in Richtung Foyer.
»Das arme Ding wird einen schweren Stand haben«, brummte Hannes und warf Philippe einen bedauernden Blick zu, ehe er seinem Vater hinüber in die Halle folgte.
Philippe zögerte noch einen Augenblick, doch da er Pläne für den heutigen Tag hatte, schob er tiefer gehende Überlegungen beiseite und begab sich ebenfalls auf den Weg in Richtung Frühstückszimmer.
Als die beiden jungen Männer aus dem Hauswirtschaftsraum in das Foyer traten, verschwand Demy, die ihr Frühstück mit hinauf in ihren privaten Raum nahm, hinter der Tür zum Treppenhaus. Philippe hielt Hannes, der ihr nachlaufen wollte, am Arm zurück und schüttelte stumm den Kopf. Er hatte keine Lust auf weibliche Gesellschaft beim Frühstück. Obendrein plante er zügig aufzubrechen, was ihnen nur möglich war, wenn der lebenslustige Hannes sich nicht in ein Gespräch mit diesem Mädchen hineinziehen ließ.
Gemeinsam schlenderten sie an der geöffneten Tür des
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