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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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hindurchgeschritten waren.
    Ein Pferdefuhrwerk ratterte knapp hinter ihr vorbei, was Lieselotte dazu veranlasste, sie unsanft zur Seite zu ziehen.
    »Du solltest besser aufpassen. Inzwischen regeln Polizisten den Automobil-, Omnibus- und Kutschenverkehr, da es immer häufiger zu Unfällen kommt.«
    Demy nickte und folgte ihrer neuen Bekannten und den Kindern über den breiten, teilweise durch hohe Bauzäune verunstalteten Boulevard. Sie bestaunte die wuchtigen, säulengeschmückten Granitgebäude und blieb ein zweites Mal fassungslos stehen, als sie die Schlossbrücke mit ihren vier gewaltigen roten Granitpfeilern und den auf ihren Sockeln thronenden strahlend weißen Marmorstatuen vor der prächtigen Kulisse des Stadtschlosses erblickte.
    Unzählige Damen in ähnlich vornehmen Kleidern wie dem ihren, angetan mit noch weitaus auffälligeren Hüten, flanierten am Arm ihrer mit Gehrock und schwarzem Zylinder elegant ausgestatteten Begleiter zwischen blitzenden Automobilen oder verstaubten Pferdefuhrwerken hindurch. Unter sie mischten sich die einfachen Arbeiter mit ihren schief auf den Köpfen sitzenden Mützen und ältere Frauen in dunklen hochgeschlossenen Blusen und bauschigen Röcken. Auch ein paar spielende Mädchen in schmucklosen, manches Mal zu kurzen Kleidchen und Burschen in Knickerbockers oder den gerade modernen Matrosenanzügen belebten das bunte Straßenbild.
    Als Demy Lieselotte laut lachen hörte, drehte sie sich zu ihr um. »Du siehst aus, als hättest du noch nie eine Stadt aus der Nähe gesehen. Und dabei bist du doch die Gesellschafterin einer feinen Dame und ich komme von einem Bauernhof!«
    Demy lächelte und war für einen Augenblick versucht, Lieselotte zu erzählen, dass sie ebenfalls vom Land stammte und vollkommen gewöhnlich aufgewachsen war, doch Tilla hatte ihr Gespräche über ihre Herkunft ausdrücklich verboten.
    Schweigend und aufgrund der Heimlichkeiten etwas bedrückt folgte sie ihren Begleitern am Schloss vorbei in Richtung Norden, durch zunehmend schmaler werdende Straßen, die sich allmählich zu düster anmutenden Gassen verengten, in denen das Sonnenlicht kaum noch den Boden berührte.
    Die herrschaftlichen Paläste wurden durch Baracken, triste Lagerhallen und heruntergekommene Häuser abgelöst. Winzige Ladengeschäfte mit verschmutzten Fenstern, lose herabhängende Schilder und die düsteren Durchgänge zu den nacheinander aufgereihten dunklen Hinterhöfen ließen Demy schaudern. Wie im gesamten Großraum Berlin rissen auch hier Baufirmen ganze Häuserzeilen ab und errichteten sie neu. In diesem vernachlässigten Viertel schien das Demy durchaus sinnvoll zu sein.
    Das völlige Fehlen von Grünflächen und Bäumen drückte in eigenartig dumpfer Weise auf ihr Gemüt und ließ sie frösteln, sodass sie ihren leichten Mantel enger um ihre Schultern zog. Sie konnte nicht umhin, die beängstigend freizügig gekleideten Frauen mit ihren Federboas und wagenradgroßen Hüten zu bemerken, die in so manchem Hauseingang standen und sie geflissentlich übersahen. Sie unterdrückte einen leichten Anflug von Unbehagen und fragte sich beunruhigt, wohin Lieselotte mit ihr unterwegs war.
    ***
    Sie waren noch nicht weit vom Stadtschloss des Kaiserpaares entfernt, allerdings jenseits der ehemaligen Stadtmauer, als Lieselotte und die Kinder unter einem mehrere Meter tiefen, grauen Torbogen hindurchhuschten.
    Demy sah sich unbehaglich um, folgte ihnen aber und betrat einen schmutzigen Innenhof, der halb gepflastert war, zur anderen Hälfte jedoch lediglich aus festgestampftem Boden bestand. Die beiden Nachbarsmädchen von Lieselotte winkten ihr zum Abschied zu und verschwanden im Eingangsbereich des Hauses, das dem Torbogen gegenüberlag. Lieselotte, die Kleine und die Zwillinge wandten sich nach rechts, um dort eine primitive Holztür aufzustoßen, die quietschend in einen im Dunkeln liegenden Hausflur schwang.
    »Wir müssen leise sein, unser Schlafbursche schläft noch.« Lieselotte legte mahnend ihren Zeigefinger an die Lippen.
    Während Willi und Peter eifrig nickten, schaute Demy das Mädchen verwundert an. Was wohl ein Schlafbursche sein mochte? Zögernd stellte sie die Frage.
    »Anton arbeitet in der Nachtschicht, tagsüber schläft er gegen Bezahlung bei uns.«
    Wenngleich sie diese Regelung etwas befremdete, nickte Demy. Sie fand es großzügig von den Schefflers, eines ihrer Zimmer einem Mann zur Verfügung zu stellen, der offenbar keine eigene Wohnung zum Leben

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