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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Berlin.
    »Weißt du, wer das gewesen sein könnte?«, fragte Hannes nach einer geraumen Zeit des Schweigens.
    »Hier in Magdeburg? Ich habe keine Ahnung. In Berlin würde ich dir vielleicht den einen oder anderen Kandidaten nennen können. Aber hier …?«
    »Ist dir dieser blonde Kerl im Gasthaus nicht bekannt vorgekommen?«
    »Karl Irgendwer?«
    »Roth, ja.«
    »Sollte er?«
    »Er sagte mir, er habe Heimaturlaub und sei ansonsten in Windhuk stationiert. Die Blicke, die er dir zuwarf, wären tödlich gewesen, hätten sie aus Blei bestanden. Ihr scheint dort drüben nicht die besten Freunde gewesen zu sein.«
    »Sonst würde ich ihn ja kennen«, erwiderte Philippe mit einer entwaffnenden, wenn auch wenig hilfreichen Logik und versank wieder in Schweigen.
    Das Automobil kam in der Dunkelheit nur langsam voran. Die Karbidlampen waren nicht dafür geschaffen, finstere Landstraßen auszuleuchten, und so fuhr Hannes weit nach vorne gebeugt, um überhaupt etwas erkennen zu können. Gelegentlich warf er seinem schweigsamen Freund prüfende Blicke zu, aber dieser hatte einmal mehr die Hände im Nacken verschränkt und schaute mit grimmigem Gesicht in die Nacht hinaus. Ob ihn die jungen Damen beschäftigten, die um seine Gunst gebuhlt hatten? Oder doch vielmehr der Überfall oder gar die erregte Diskussion im Gasthaus?
    Philippe war ein Rebell gewesen, seit er selbstständig denken konnte, und vermutlich wusste er, obwohl er außer Landes stationiert war, viel über die Umtriebe und Unruhen in Kaiser Wilhelms Deutschland. Es hätte Hannes nicht gewundert, wenn Philippe Sympathien für die »Aufständischen« empfunden hätte, wie sein Vater alle diejenigen nannte, die nicht mindestens seine Art der Kaisertreue pflegten. Und von denen gab es vor allem unter der gemeinen Arbeiterschaft zunehmend mehr.
    Gerade als er seinen Freund auffordern wollte, doch noch mal zu überlegen, woher Roths Hass auf ihn stammen könne, setzte sich Philippe aufrecht hin und begann über Grades Dreidecker und den geplanten Eindecker zu sprechen.
    Täuschte Hannes sich, oder lag in Philippes Stimme mehr Eifer und Enthusiasmus, als er jemals zuvor bei ihm vernommen hatte? Bedeutete ihr Ausflug zu Grade, dass Philippe sich neu Gedanken über seine Zukunft machte und damit verbunden auch Pläne schmiedete? Hannes’ Vater würde eine derartige Entwicklung sicher mit Begeisterung sehen, hielt der seinen Zögling doch für einen respektlosen, liederlichen und vagabundierenden Tunichtgut.
    »Unser ach so fortschrittliches Land ist weit hintendran, was den Flugzeugbau anbelangt«, redete Philippe weiter. »Gustav Weißkopf, er nennt sich in den Staaten Whitehead, unternahm bereits 1901 erste Motorflugversuche. Und die Gebrüder Wright, die im Gegensatz zu Whitehead intelligent genug waren, ihre Flugversuchte 1903 im Beisein von Zeugen zu unternehmen, weisen ebenfalls Erfolge auf. Zu diesem Zeitpunkt flogen wir hier zwar schon mit den Luftschiffen im Linienverkehr, aber es sind genau diese Ungetüme, die nun zu unserem Problem werden.«
    »Problem hinsichtlich was? Sie fliegen doch, können weitaus mehr Passagiere befördern als diese Klapperkisten, und ihre Landungen enden bei Weitem nicht so häufig mit gebrochenen Achsen, Flügeln und Gliedmaßen.« Hannes spottete mehr über Philippes Enthusiasmus als über die angebliche Fehlentwicklung in seinem Heimatland.
    »Das Kriegsministerium lässt neue Schlachtkreuzer bauen, aber den Himmel vernachlässigt es vollständig. Grade sagte, die letzte Aussage, die er hörte, war, dass die deutschen Militärs Flugzeuge für lebensgefährlichen Plunder hielten.«
    »Nicht zu Unrecht, wie ich finde. Du hast einen etwa acht Meter hohen Hüpfer unternommen, die Luftschiffe überwinden lange Strecken und können dabei noch schwere Lasten transportieren.«
    »Sie sind riesig und sehen beeindruckend aus, ja. Doch baut man die Flugzeuge immer wieder neu, verbessert sie von Maschine zu Maschine, wird sich auch ihr Wert und ihre Nützlichkeit steigern. Sie könnten schneller und wendiger werden als die Luftschiffe.«
    »Dann wird es neben dem Luftschifferbataillon Nr. 1 in Döberitz bald ein Flugzeugbataillon geben, wenn es nach dir und Grade geht?«
    »Es wird nötig sein! Frankreich zum Beispiel steht der Entwicklung neuer Flugzeuge wesentlich positiver gegenüber. Die französische Regierung stellt seit zwei Jahren erhebliche Mittel zur Verfügung, um Militärflugzeuge entwickeln zu lassen. Du wirst sehen, in ein paar

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