Himmel ueber fremdem Land
die Konzentrationslager ins geschütztere Landesinnere verlegt worden waren, ging auf eine Initiative im Land tätiger Missionare zurück. Die in Lüderitz lebenden Menschen waren zu diesem Zeitpunkt noch per Schiff mit Trinkwasser aus Kapstadt beliefert worden, inzwischen stellte ein Kondensator die Süßwasserversorgung sicher.
Ein Seufzen entrang sich Philippes Kehle. Er hatte gehofft, einige Zeit mit Udako verbringen zu können, doch direkt nach seiner Ankunft in Windhuk und dem verwirrenden Gespräch mit ihr war er von Oberstleutnant von Estorff abberufen worden. Auf die Bitte von Gouverneur von Schuckmann schickte dieser Philippe in Begleitung eines Trupps Soldaten mit einem Sonderauftrag an die raue Küste. Von der Lüderitzbucht bis fast zur britischen Walvis Bay 18 hinauf hatte es vor Kurzem erstaunliche Diamantenfunde gegeben, nachdem Bahnmeister Strauch angeblich bei Arbeiten für die Bahnlinie Lüderitzbucht – Keetmanshoop auf die ersten der wertvollen Steine gestoßen war. Allerdings nannte man unter der Hand einen schwarzen Streckenarbeiter, Zacharias Lewala, als eigentlichen Entdecker der ersten Diamanten.
Rasend schnell verbreitete sich die Nachricht über Deutsch-Südwest hinaus und immer mehr Männer – darunter neben Geschäftsleuten und Spekulanten auch auf das schnelle Geld versessene Abenteurer – überschwemmten das Gebiet, um sich Schürfrechte entlang der Atlantikküste zu sichern. Dabei kam es vermehrt zu Unruhen um die provisorisch errichteten Diamantminen. Zwar waren deutsche Schutztruppen vor Ort, doch von Schuckmann hegte offenbar den Verdacht, dass einige Soldaten sich inzwischen weitaus mehr für die Diamanten als für die ihnen übertragenen Aufgaben interessierten. Er witterte Korruption und Bestechlichkeit.
Nun fand Philippe sich inmitten einer kargen felsigen Landschaft umgeben vom Meer auf der einen und vom Wüstensand der Namib 19 auf der anderen Seite wieder, während in seinem Inneren die Sehnsucht nach Udako wühlte.
»Du hattest also drei Monate Heimaturlaub und warst nur ein paar Tage bei deiner Familie in Berlin? Wo hast du dich denn sonst noch herumgetrieben?« John Howell riss ihn aus seinen Überlegungen. Der Brite kletterte auf einen Felsvorsprung und drehte sich zu ihm um, wobei er sich gegen den Wind anstemmen musste.
Philippe schaute zu seinem Freund auf und entgegnete mit schiefem Grinsen: »Kanada, England, Frankreich.«
»Du bist und bleibst ein Herumtreiber«, lachte John und deutete mit dem Kopf in Richtung ihrer Pferde. Es war an der Zeit, den Rückweg anzutreten.
»Das willst aber nicht ausgerechnet du mir zum Vorwurf machen?«
John schmunzelte, sprang von dem Felsbrocken herunter und gesellte sich wieder zu Philippe. Der Wind im Rücken trieb sie vorwärts. Sie kletterten über den unruhigen, schroffen Küstenboden, immer darauf bedacht, dass ihre Füße nicht in eine der mit Sand und Meerwasser gefüllten Spalten rutschten.
»Diesmal bin ich im Auftrag meines Vaters hier«, erklärte John über das Kreischen der Möwen hinweg. »Er möchte doch tatsächlich einen Teil des Kuchens für sich haben.«
»Dein Vater will sich in der Wüste auf die Suche nach Diamanten machen?«
Johns Lachen kämpfte sich gegen die donnernde Brandung und das Brausen des Windes bis zu Philippe durch. »Nein, er will mehr Diamantentransporte über seine Geschäftsstelle in der Walvis Bay abwickeln. Und das so bald, dass er von dem Kuchen noch ein ordentliches Stück abbekommt, bevor euer Kaiser Wilhelm seinem Vetter, unserem Bertie, den Krieg erklärt.«
Philippe nahm die Hände zu Hilfe, um sich auf einen gewaltigen Felsbrocken hinaufzustemmen. Dort verharrte er und schaute über das stahlgraue Meer bis an den in einem kräftigen Gelbton verschwimmenden Horizont. Der Wind zerrte an ihm und fuhr ihm durch die Haare. Es fühlte sich beinahe an, als sitze er wieder in einem Flugzeug; wie vor ein paar Monaten in Kanada oder vor nur wenigen Wochen in Mecklenburg. Energisch rief er sich in die Gegenwart zurück.
Sollte es tatsächlich so einfach sein, Zugang zu Informationen über die weiter nördlich gelegenen Diamantengesellschaften zu bekommen? Bot John, oder vielmehr dessen Vater, ihm diese geradezu auf dem Silbertablett an? Und zwar über das britische Kolonialgebiet, sodass seine Nachforschungen nicht versehentlich über irgendwelche dubiosen Kanäle an die Schürfer und unter Verdacht stehenden Soldaten gelangten?
Philippes erste Vermutung, er würde zwischen der
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