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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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ihnen regelmäßig etwas Vernünftiges zu essen zu schicken.
    Einen Tag später rückte Ellart wieder in seiner Garnison in Potsdam ein. Als er seine Stube betrat, fand er einen ihm fremden, etwa gleichaltrigen jungen Mann vor. »Nanu, wo ist Meinhard?«, fragte er erstaunt.
    »Meinhard von Ehrenfels hat seinem Rang entsprechend eine eigene Stube bekommen«, erklärte der junge Mann, die Hacken knallend. »Ich bin Fähnrich Jakob Seliger. Man hat mir seinen alten Platz zugewiesen.«
    »Aha.« Ellart war nicht begeistert. Während er seine Sachen auspackte, betrachtete er seinen neuen Stubenkameraden aus den Augenwinkeln. Er war zwar groß, hatte aber trotz seines jugendlichen Alters schon einen Bauchansatz. Das blasse Gesicht, in dem kleine listige Augen blitzten, war schwammig, und auf dem Kopf zeichnete sich eine beginnende Glatze ab. Bereits nach wenigen Minuten war sich Ellart sicher, dass er ihn nicht mochte.
    »Ich gebe heute Abend meinen Einstand. Du kommst doch?«
    »Ja, ja … natürlich.« Abzulehnen wäre ein unglaublicher Affront gewesen. Auf dem Weg ins Kasino traf er Meinhard. »Meinhard, altes Haus«, rief er erfreut. »Wie schade, dass man dich bei mir ausquartiert hat. Dieser Seliger, den ich jetzt auf der Bude habe … ich weiß nicht … Sehen wir uns gleich auf seinem Einstand?«
    »Nein, ich esse mit Major von Revenburg im Offizierskasino.« Meinhard klang merkwürdig reserviert.
    »Schade.« Ellart war enttäuscht. »Übrigens, ich habe auf den Dienstplänen gesehen, in vierzehn Tagen haben wir beide ein freies Wochenende bis zum Wecken. Wollen wir nicht mal wieder Berlin unsicher machen? Nach vierzehn Tagen Provinz muss doch mal wieder was passieren! Wir könnten zum Jour fixe bei den Stumms gehen …«
    »Verzeih, dass ich dich unterbreche, Ellart.« Meinhards Stimme war ungewöhnlich kühl. »Christine hat mich wissen lassen, dass deine Anwesenheit im Hause Stumm nicht mehr erwünscht ist. Irgendetwas muss zwischen dir und Amalie vorgefallen sein … damals, an besagtem Abend. Ehrlich gesagt, will ich gar nicht wissen, was geschehen ist. Du entschuldigst mich, der Major erwartet mich.« Ellart war wie vor den Kopf gestoßen. Sollte etwa wegen dieses kleinen Ausrutschers seine Freundschaft zu Meinhard in die Brüche gehen? Mehr als zwei Monate waren seitdem vergangen. Ab und zu hatte er daran gedacht. Ganz wohl war ihm nicht dabei gewesen. Aber irgendwie würde es sich schon wieder einrenken lassen. Eine förmliche Entschuldigung, und die Sache wäre aus der Welt. Schließlich hatte die junge Dame ja hemmungslos mit ihm geflirtet, ihm Avancen gemacht. Je länger er darüber nachdachte, umso unschuldiger fühlte er sich. Mit einem Mal sah er Amalies versteinertes Gesicht wieder vor sich. »Ellart von Kaulitz, ich will Sie niemals wieder sehen.«
    An diesem Abend betrank sich Ellart bis zur Besinnungslosigkeit. Als am nächsten Morgen der Appell zum Wecken erklang, wollte ihm der Schädel platzen. Alles drehte sich, und er hatte rasende Kopfschmerzen. »Mir ist speiübel. Wie bin ich überhaupt ins Bett gekommen?«, murmelte er.
    »Fähnrich von Marken und ich … haben dich nach oben geschleppt. Ich kann dir sagen, wir hatten aber auch ganz schön getankt …« Jakob grinste. »Bist ein guter Trinker, Kaulitz. Wir werden sicher noch viel Spaß miteinander haben.«
    Meinhard war auch weiterhin äußerst reserviert. Einige Male fragte Ellart, ob sie nicht wie früher zusammen im Holländischen Viertel ein Bier trinken könnten, aber er lehnte jedes Mal höflich ab. »Ich bin heute schon vergeben, leider.«
    Von Benno von Marken erfuhr Ellart, das Meinhard sich mit Christine Stumm verlobt hatte. »In drei Wochen findet anlässlich der Verlobung in Berlin eine große Soiree statt.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Ellart erstaunt.
    »Christine ist meine Cousine.« Stolz zeigte er die Einladung. »Wieso bist du eigentlich nicht eingeladen, soweit ich weiß, hast du doch bei den Stumms verkehrt?«
    »Vielleicht kommt die Einladung ja noch.« Ellart zermarterte sich den Kopf, was er tun könnte, um Amalie zu versöhnen. Ein paar Tage später gab er Meinhard einen Brief. »Würdest du den bitte an Amalie weiterleiten? Es liegt mir sehr viel daran.«
    »Ich werde es versuchen. Aber mach dir mal keine große Hoffnung.«
    Der Brief kam zurück mit dem Vermerk ›Annahme verweigert‹.
    Jakob Seliger schien über unerschöpfliche Mittel zu verfügen. Auch seine Vorräte an alkoholischen Getränken gingen

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