Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
Liebster.«
»Ja hast du denn schon etwas Passendes gefunden?«, fragte Jesko, als er mit Clemens allein war. »Oder wollt ihr bei uns im Schloss wohnen? Es ist schließlich groß genug.«
»Danke, Jesko, das ist überaus großzügig von dir. Aber ich habe etwas gefunden. Bitte verzeih, wenn ich noch ein kleines Geheimnis darum mache. Es wird mein Hochzeitsgeschenk für Aglaia.«
»Ich will ja nicht neugierig sein, aber ist denn eine Landwirtschaft dabei? In den heutigen Zeiten sollte man autark sein.«
Clemens lächelte. »Wie du weißt, bin ich kein Landwirt. Aber für den Eigenbedarf wird es reichen.«
Mehr war aus ihm nicht herauszukriegen. Zum großen Ärger von Elvira. Als sie am Abend allein mit Jesko einen Schlummertrunk in der Bibliothek nahm, sagte sie: »Verstehst du, warum Clemens nicht sagen will, wo er sich eingekauft hat?«
»Er hat doch deutlich gesagt, dass er Aglaia damit überraschen will!«
»Aber findest du das nicht albern? Aglaia könnte doch während seiner Abwesenheit das Haus nach ihren Bedürfnissen gestalten. Schließlich findet man nie etwas, das den eigenen Ansprüchen genügt. Schließlich hat sie ihr Leben lang in Schlössern gelebt.«
Jesko sah seine Frau kopfschüttelnd an. »Über was du dir bloß wieder mal Gedanken machst! Glaubst du, Aglaia braucht ein Schloss, um glücklich zu sein?«
»Natürlich nicht.«
»Warum regst du dich also auf?« Er gähnte.
»Komm, lass uns zu Bett gehen. Solche Diskussionen ermüden mich.«
Ein paar Tage nach Clemens’ Abreise meldete Hannes die Ankunft der Gräfin Wallerstein. Aglaia war mit Ferdinand nach Insterburg gefahren, um ein paar Besorgungen zu machen.
»Es ist lange her, dass wir dich gesehen haben, Wilhelmine. Was kann ich dir anbieten, Tee oder Kaffee?«, fragte Elvira. »Und was führt dich zu uns?«
»Ich will mich verabschieden. Außerdem habe ich gehört, dass Aglaia wieder heiraten will. Einen englischen Lord.«
»Ja, das stimmt. Leider triffst du sie nicht an. Sie ist in Insterburg. Wir erwarten sie erst am Abend zurück.«
»Das ist wirklich sehr bedauerlich.« Wilhelmine schwieg, bis Hannes das Zimmer verlassen hatte. »Ja, es ist so weit. Ich bin Wallerstein endlich los … Mein Gott, es hat endlos gedauert. Aber übermorgen reise ich ab. Ich habe mich in ein Damenstift in Badenweiler eingekauft. Dort werde ich wohl den Rest meines Lebens verbringen.« Ihr Gesicht war hochrot, auf ihrer Stirn standen Schweißperlen, und sie atmete schwer.
›Sie sieht schrecklich aus, sie muss krank sein‹, dachte Elvira. Laut fragte sie: »Warum denn so weit weg, Wilhelmine? Hast du denn nichts in der Nähe gefunden?«
»Mir geht es gesundheitlich nicht besonders gut. Und in dem Bad kann ich kuren, vielleicht gibt es mir ein wenig Erleichterung. Außerdem war es für mich gerade noch erschwinglich.«
»Wie, erschwinglich?« Jesko sah sie fragend an. »Ich denke, du hast Wallerstein verkauft. Da musst du doch über reichlich Mittel verfügen.«
Wilhelmine lachte bitter. »Ich hatte Schulden, mein lieber Jesko. Gut, die sind nun bezahlt. Aber sehr viel ist mir nicht geblieben.«
»Wer wird denn nun unser neuer Nachbar?«, fragte Jesko, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Hoffentlich nicht irgendwelche Parvenüs. Davon gibt es ja heutzutage reichlich.«
Wilhelmine tupfte sich ihr schweißnasses Gesicht. »Ich weiß es nicht. Das Geschäft haben Hofrat Schmolz und ein Berliner Bankier abgewickelt.« Elvira und Jesko tauschten einen Blick. Beide dachten das Gleiche. Da war wohl die gute Wilhelmine kräftig über den Tisch gezogen worden. »Die Dienerschaft wurde übernommen, Gott sein Dank«, fuhr sie fort. »Man hat da ja schließlich eine Verantwortung.«
»Und wann wird der neue Besitzer erwartet?«, fragte Elvira und goss ihrem Gast Tee nach.
»Das weiß ich nicht, und ehrlich gesagt ist es mir auch herzlich egal.« Schwer atmend erhob sie sich. »Ich muss mich verabschieden. Sehr bedauerlich, dass ich meine Tochter nicht vorgefunden habe. Richtet ihr doch bitte aus, die letzte Gelegenheit, sich von mir zu verabschieden, sei morgen auf Wallerstein.«
»Sag, Wilhelmine, willst du nicht noch bis zum Kleinmittag bleiben?«, fragte Elvira halbherzig.
»Nein, danke, sehr freundlich. Es ist bei weitem nicht alles gepackt. Also lebt wohl. Ich denke nicht, dass wir uns noch einmal wiedersehen.«
Alexander und Franz waren mit Fresspaketen von Minchen zu ihren Lehrstellen zurückgekehrt und deren Versprechen,
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